2023 Peru


13.04.2023 - 30.04.2023

Melanie Schlich, Thomas Schug, Alexander Strauß


Besucht wird die peruanische Andenstadt Ayacucho, die mit ihrer Umgebung zu den ärmsten Regionen Perus zählt.

In den Jahren von 1980 bis 2000 war Ayacucho das Zentrum des bewaffneten Kampfes zwischen der Guerilla-Organisation „Sendero luminoso“ („Leuchtender Pfad“) und des peruanischen Militärs, der von beiden Seiten mit brutaler Härte und Rücksichtslosigkeit geführt wurde. Leidtragende war vor allem die Zivilbevölkerung. Insgesamt kamen in dieser Zeit etwa 70.000 Menschen gewaltsam ums Leben, viele Kinder und Erwachsene wurden körperlich und seelisch schwer traumatisiert.

Itinerary Date :28.05.2023

Peru 2023

18.04.2023

Wir freuen uns sehr, dass ein Team der Clowns zum zweiten Mal nach 2016 Peru besuchen und damit auch unser Engagement in Südamerika weiterführen wird – neben Ecuador haben wir auch bereits Projekte in Bolivien realisieren können. Unser Team – bestehend aus Melanie Schlich, Thomas Schug und Alexander Strauss – besucht die Andenstadt Ayacucho, die mit ihrer Umgebung zu den ärmsten Regionen Perus zählt.

In den Jahren von 1980 bis 2000 war die Universität von Ayacucho Ausgangspunkt und die Stadt Zentrum des bewaffneten Kampfes zwischen der Guerilla-Organisation „Sendero luminoso“ („Leuchtender Pfad“) und des peruanischen Militärs, der von beiden Seiten mit brutaler Härte und Rücksichtslosigkeit geführt wurde. Leidtragende war vor allem die Zivilbevölkerung. Insgesamt kamen in dieser Zeit etwa 70.000 Menschen gewaltsam ums Leben, viele Kinder und Erwachsene wurden körperlich und seelisch schwer traumatisiert.

Die Reise wird in Zusammenarbeit mit dem Verein „Hilfe für Ayacucho“ konzipiert; dieser wurde im März 2004 auf Initiative des Kinder- und Jugendarztes Dr. med. Andreas Niethammer und seiner Frau Ruth Juscamaita, die aus Ayacucho stammt, in Völklingen gegründet. Inzwischen gehören zu ihren Projekten neben einem Gesundheitszentrum vor Ort auch eine Nähwerkstatt und das Fußballprojekt für Jugendliche. Im Gesundheitszentrum arbeiten eine Krankenschwester mit Hebammenausbildung sowie ein Lehrer. Alle diese und viele Orte mehr wollen wir in den nächsten knapp zwei Wochen besuchen, um den Menschen in Peru zu begegnen.

Zum Abflug verabschiedet uns ein Regenbogen; ein schöneres Zeichen kann man sich eigentlich nicht wünschen 🙂

Im Haus der Seele

19.04.2023

Nach einem langen Flug mit kurzem Halt und Übernachtung in Lima werden wir nach 36 Stunden Reise in Ayacucho herzlich mit Plakat und Blumen empfangen. Ayakucho, wörtlich aus dem Quetchua mit „Winkel der Toten“ übersetzt, wird im Übertragenen als „Haus der Seele“ interpretiert. Alle sind gespannt wie wir wohl die Höhe vertragen werden.

Unser Aufenthalt und die Shows ist für die gesamte Dauer des Besuchs in Ayacucho auf gut 2800 Meter geplant. Unsere Reiseplanerin Ruth hat vorab angekündigt, dass es zum Ende hin einen Besuch auf etwa 4300 Meter Höhe in einem Bergdorf geben wird.

Wir staunen über den Anblick der Stadt im gleißenden Sonnenlicht, die uns von hier oben völlig friedlich zu Füssen liegt. In den vergangenen Jahrzehnten hat Ayacucho aufgrund der großen Zahl der zugewanderten Binnenflüchtlinge eine Bevölkerungsexplosion erfahren.

In den 1980er und 90er Jahren hatte die ländliche Bevölkerung unter der extremen Gewalt des internen Konflikts in Peru und den Übergriffen der Guerilla-Organisation „Leuchtender Pfad“ gelitten. Zahlreiche Menschen hatten keine andere Wahl, als ihre Heimat und ihre traditionelle Lebensweise aufzugeben und nach Ayacucho zu flüchten.

Diese politischen Flüchtlinge siedelten sich in den Außenbezirken der Stadt an, in denen es weder fließendes Wasser, sanitäre Einrichtungen noch Strom gab, was wiederum zur Ausbreitung ansteckender Krankheiten und Mangelernährung führte; der Flughafen, der in früheren Jahren weit außerhalb lag, liegt heute buchstäblich mitten in der Stadt. Hohe Arbeitslosigkeit, Verarmung, Analphabetismus, familiärer Zerrüttung und Gewalt prägen den Alltag vieler Menschen hier. Im schlimmsten Fall werden Kinder von ihren Eltern verlassen. Die während des Bürgerkriegs erlittene Gewalt hat die Bevölkerung schwer traumatisiert.

Nach einem Willkommensgetränk zum Ankommen und einer Rundführung auf dem Gelände unserer Unterkunft wollen wir vor Einbruch der Dunkelheit nochmals unser Stück proben. Die ersten Zuschauer sind nicht weit und mischen schnell mit. So werden kurzerhand zwei der Clowns nochmal umbenannt und gehen mit den Namen Pero (spanisch für Hund) und Pato (Ente) ins Rennen. Mariposa (Schmetterling) darf ihren Namen behalten findet die 7 jährige Mayo, Mariposa ist Buena.

Die Campesinos

21.04.2023

Durch die sieben Stunden Zeitverschiebung sind wir schon sehr früh putzmunter. Die Höhe scheinen alle ganz gut zu vertragen, es wird beim Frühstück von leichtem Schwindel, kurzen nächtlichen Kopfschmerzen und Kurzatmigkeit berichtet. Nichts Wildes, also geht es los zur ersten Show. Die Aufregung steigt.

Mit einem Bus bringt uns unser Fahrer Jelci über unfassbar kaputte Straßen ins Dorf Ccarihuillca zum Gesundheitszentrum, welches von unserem Projektpartner „Hilfe für Ayacucho“ errichtet wurde. Die aufsteigenden Emotionen, als wir nach einer Stunde Fahrt halten und zwei Dutzend Kinder den Bus umringen, um uns willkommen zu heißen, sind unbeschreiblich. Etwa 80 weitere Kinder sitzen auf uns wartend auf vorbereiteten Stühlen vor dem Gesundheitszentrum.

Gemeinsam haben sie für uns „Guten Tag“ gelernt. Ins Gesundheitszentrum integriert ist auch eine Nähwerkstatt integriert, in der unter anderem Decken für die werdenden Mütter im Krankenhaus genäht werden. Vor Ort ist Luzmila, die Krankenschwester des Projekts, Ansprechperson für alle medizinischen Probleme; sie wird uns in den nächsten Tagen auch begleiten.

Sehr bewegt stellen wir im Anschluss fest, wie sehr uns die Ankunft berührt hat und der ein oder andere sich eine Träne verkneifen musste, angesichts der bevorstehenden Show-Premiere. Insgesamt läuft die Aufführung sehr schön, nach der Show holen wir uns noch Feedback von den zahlreichen Erwachsenen, um klar zu bekommen, an welchen Punkten des Stückes noch Arbeit und Feinschliff wichtig ist, um bestmöglich mit peruanischen Verhältnissen abgestimmt zu sein.
Für die zweite Aufführung fahren Pero, Pato und Mariposa in eine nahegelegenen Förderschule in Puebla Libre, in der der Nachhilfelehrer von „Hilfe für Ayacucho“ täglich Dutzende Kinder der „Campesinos“ betreut.

Die Campesinos („die die auf den Feldern leben“) gelten als die eigentlichen Nachfahren der Inka, die im Hochland Perus, Ecuadors und Boliviens lebten. Für die meisten Peruaner sind die „Campensinos“ Bürger zweiter Klasse, und weitgehend ausgegrenzt. „Die Regierung hat uns vergessen“, bekommen wir vor Ort zu hören, und sofort ersichtlich ist, dass es buchstäblich an allem mangelt; die unfassbar kaputten Straßen, die eher Geröllpisten gleichen, sind nur das Offensichtlichste.

Der Auftritt muss kurzerhand nach innen verlegt werden, da auf dem vorgesehenen Platz ein Gottesdienst stattfindet, der in voller Lautstärke abgehalten und den gesamten Tag andauern wird; das wiederum lässt einen ersten Rückschluss zu, dass mutmaßlich überall dort, wo der Staat keinen Einfluss nimmt oder Hilfe anbietet, kirchliche Organisationen die Lücken füllen. Der Umstand, so wird uns erzählt, dass jeder einzelne der peruanischen Präsidenten (und vielfach Menschen ihrer Netzwerke) der letzten Jahrzehnte im Gefängnis sitzt oder saß, spricht für sich.

Die am Vortag besprochenen Veränderungen in der Show laufen super, im dichtgedrängten Raum entfaltet sich ein flottes Spiel. Am Ende der Show befinden die Campesinas, das Pero und Pato neue, handgefertigte Gürtel benötigen. Und so werden sie kurzerhand versorgt.
Kinder kommen und bedanken sich, fallen einem um die Arme, zeigen, dass sie alle Clownsnamen behalten haben und fordern uns auf, doch bald wieder zu kommen.

Die Töchter von Santa Ana

21.04.2023

Am dritten Tag besuchten wir ein Waisenhaus in Ayacucho, das heute von einem Nonnenorden (Las Ichas da Santa Ana) geleitet wird und in das auch eine Schule integriert ist. Der Gründer, Andreas Vivantes, ging Anfang der 1970er Jahre von Haus zu Haus, forderte die Bewohner buchstäblich auf, auch mal etwas anderes zu tun als nur Kaffee zu trinken, und warb so („wir müssen etwas tun“) erfolgreich die Mittel ein, das erste Haus für Waisen in Ayacucho zu gründen.

Heute werden nicht mehr nur Waisen betreut, der Gebäudekomplex beinhaltet auch eine Schule für etwa 300 Kinder aus den anliegenden Stadtvierteln. Weiterhin werden dort auch junge Frauen zu Friseurinnen, Weberinnen oder Näherinnen sowie junge Männer zu Schreinern ausgebildet. Nach der Show waren wir in den Werkstätten auf Besuch, und mussten uns prompt als Haar-Modell zur Verfügung stellen – Widerstand war zwecklos, wir ließen Federn. Im Team der lernenden Friseurinnen war auch eine schwangere Frau und mehrere, teils minderjährige Frauen, die ihre Kinder dabeihatten.
Zur Show erwarteten uns ca. 300 Kinder und Jugendliche der unterschiedlichsten Altersstufen in einem riesigen Innenhof und jubelten uns bei unserem Eintreffen zu. Für uns, die wir gewohnt waren, bei den Proben und den beiden ersten Vorstellungen auf relativ engem Raum zu spielen, war die Umstellung auf eine 40m lange Spielfläche eine enorme Umstellung. Wir hatten das Glück der Tüchtigen und die Lautstärke eines Fußballspiels.

In der Werkstatt der Näherinnen wird uns schließlich die Leiterin der Ausbildung für die Frauen vorgestellt. Sie war eine der Waisenkinder, die zu Anfangszeiten im Haus von Andreas Vivantes untergebracht war. Mit 17 Jahren ging sie nach Lima, um als Haushaltsangestellte zu arbeiten, wurde jedoch jahrelang sehr schlecht behandelt – bis sie eines Tages beschloss, nach Ayacucho zurückzukehren und sich in den Dienst der Schule und des Ordens zu stellen. Heute ist sie Vorbild für die jungen Frauen.

Zähne aus Mais

22.04.2023

In den Jahren des Terrors mussten viele Campesinos aus ihren Dörfern an die Ränder von Ayacucho fliehen, da niemand in den Wirren der Ereignisse mehr sicher sein konnte, den nächsten Tag zu überleben. Dies resultierte nicht nur in einem unkontrollierten Wachstum der Stadt, sondern auch der Ballung sehr starker Armut. Von Seiten des Staates wurde in den letzten beiden Jahrzehnten teilweise gegengesteuert, unter anderem mit einer Möglichkeit einer kostenlosen Krankenversicherung für die ärmsten Bevölkerungsschichten, für die eine einfache Registrierung ausreicht.

In der Praxis jedoch hat die aber so ihre Tücken, bspw. wenn die erkrankten Campesinos mit ihren Problemen nicht ernst genommen werden und ihnen irgendwelche Medikamente gegeben werden; oder aber auch, wenn es „warum haben uns die Götter nur Zähne aus Mais gegeben?“ Probleme mit einem ausgebissenen Zahn gibt. Eine weitere Problematik tritt dort zutage, wo Ärzte den Campesinos erklären, mit dieser Krankenversicherung kann ihnen nicht geholfen werden, aber wenn sie in diese oder jene Privatklinik (wo natürlich der entsprechende Arzt assoziiert ist) gehen, wäre eine medizinische Behandlung realistisch. Dies hat zur Folge, dass viele Hilfesuchende einen Großteil ihres Hab und Guts verkaufen, um Hilfe zu bekommen.

Nach dem Frühstück packen wir unsere Sachen für unsere heutige Show in der Kinderklinik des Krankenhauses von Ayacucho. Wir sind schon gespannt was uns erwartet. Nach 20 Minuten Fahrt in die Innenstadt kommen wir im Hospital Regional de Alta Compleidad an. Am Krankenhaus werden wir schon von der Pflegedienstleitung des Hauses, über die dieser Auftritt organisiert wurde, an der Zugangskontrolle erwartet. Zuerst begeben wir uns mit Ruth und Luzmilla in die Abteilung, in der die Voruntersuchungen der Schwangeren durchgeführt werden. Dort überreicht das Team von „Hilfe für Ayacucho“ noch eine Erstausstattung für die Säuglinge (Decke, Mütze, Handschuhe), die in der von uns am ersten Tag besuchten Nähwerkstatt gefertigt wurden. Die werdenden Mütter freuen sich sehr über die Geschenke.

Danach startete dann unsere Show in der Kinderstation, in der sich jüngere und ältere Kinder, teilweise auch mit ihren Eltern befanden. Da uns statt, wie vorher angekündigt ein kleiner Saal, nun ein langer Flur mit links und rechts gelegenen Krankenzimmern erwartete, mussten wir unsere Spielweise kurzfristig umstellen, was die Show jedoch nicht beeinflusste. Die Kinder und Elternteile, die links und rechts in den Türen der Krankenzimmer saßen, sowie das Personal, das in den Fluren stand, waren begeistert, was am Ende auch mit viel Applaus honoriert wurde.

Nach einem kurzen Plausch mit der Stationsleitung, die uns auch noch ein kleines Präsent als Erinnerung an Ayacucho überreichte, fuhren wir zu einem weiteren Auftritt in einer von Nonnen geleiteten Nachmittagsbetreuung für in Armut lebende Kinder. Die Nonnen gehören dem Orden „Las Manas de la Caritas“ an. Die Kinder von armen Familien kommen nachmittags dorthin, um ein warmes Mittagessen einzunehmen und werden dann von den Nonnen unter anderem auch bei den Hausaufgaben betreut. Dafür muss die Familie dann 3 Soles (60 Cent) bezahlen.

Da es an einem Raum zur Umkleide mangelte, wurde uns dann kurzerhand die kleine Kapelle, die sich neben dem Auftrittssaal befand, zur Verfügung gestellt. Nach kurzem Umbau der Bänke geht es los. Die 40 Kinder sowie die anwesenden Ordensschwestern freuen sich, unser Stück zu sehen und machen begeistert mit. Nach einem kleinen Fotoshooting mit den Kindern nach der Show traten wir die Heimreise in unsere Unterkunft an.

Es gibt kein Bier in Peru

23.04.2023

Heute starten die drei Clowns in einen eher ungewöhnlichen Spieltag, auf dem Programm steht nicht etwa der Besuch bei Kindern, sondern im ansässigen Seniorenheim; wie so viele andere Einrichtungen wird auch dieses von einem Orden geführt. Zuvor wird diskutiert ob und wie die Show umgestellt werden sollte, welche zusätzlichen Routinen in der Tasche sein sollten, um auf die Situation angemessen eingestellt zu sein. Alle sind sich einig, dass diese Show mit viel Musik gespielt werden sollte. Daher wird noch im Bus mit Ukulelen und Kachon am Feinschliff geprobt, alte Seemannslieder geträllert und Lieder aus dem Karneval zusammengetragen.

An der Tür des Seniorenheims stellen wir fest, die Ordensschwestern haben uns vergessen. Sind jedoch erfreut und so spontan alles herzurichten in der Zeit in der sich Thomas, Alex und Melanie in Pero, Pato und Mariposa verwandeln.

Unsere Zuschauer haben eine sehr unterschiedliche Tagesform, einige schlafen, andere sind in der Bewegung eingeschränkt, aber voll bei den Clowns und einige packt offensichtlich ein zweiter jugendlicher Frühling. Schallendes Gelächter bricht bei den betreuenden Schwestern aus, als die Senioren fordern, dass wir Bier bringen sollen.

Es wird getanzt, Seifenblasen gefangen und mit den Clowns mitgefiebert. Einige der Senioren werden schnell zu Komplizen der Clowns, verstecken Bälle und helfen die zu verdächtigenden Clowns auf falsche Fährten zu bringen. Nach einer vollen Tanzfläche zum Finale der Show werden Pato, Pero und Mariposa mit Tränen und Handküssen verabschiedet. Die Ordensschwester sagt noch am Bus : „Ich werde beten, dass ihr bald wieder kommt.“

Am Nachmittag führt es uns nach Yamana in eine Unterkunft, die zur Nachmittagsbetreuung zur Verfügung steht. Hier erhalten die Kinder eine warme Mahlzeit und Betreuung.

Etwa 70 sehr lebhafte Kinder warten bereits bei Ankunft. Umgezogen wird hier im staubigen Hinterhof, zwischen Küche, allerlei Tieren und vielen neugierigen Blicken. Die Athmosphäre ist sehr herzlich, und so lebhaft die Kinder dabei sind, wird auch die Show. Leider haben wir hier noch keine Bilder bekommen, die liefern wir gerne nach.

Die Tausend Stimmen des Mariscal Caceres

24.04.2023

Heute fahren wir in die Schule Colegio Mariscal Caceres die in der Innenstadt von Ayacucho liegt. Marschall Caceres war im 19.Jahrhundert zweimal Präsident Perus und wird im Land als Nationalheld verehrt, da er nicht nur im Widerstand in den so genannten Salpeterkriegen gegen die chilenischen Besatzer kämpfte, sondern auch gegen die Spanier.

Auf die Schulbildung wird vom peruanischen Staat großen Wert gelegt, es besteht Schulpflicht. Grundsätzlich ist die Schullaufbahn zweigeteilt, es gibt eine primäre, im Alter von 6 Jahren besucht das Kind die Primärstufe (primaria) für 6 Jahre, anschließend besuchen die Kinder noch 5 Jahre die Sekundärstufe (secondaria). In den letzten 2 Jahren kann die „Matura“ gemacht werden. Ähnlich dem Abitur, nur wer die Matura hat, kann die Universität besuchen. Das wichtigste Ziel der Bildungspolitik ist die Verringerung der Analphabetenrate, die zukünftig unter 4 Prozent liegen soll.

An der Schule angekommen, an der insgesamt 10000 Schüler unterrichtet werden, müssen wir zuerst durch die Zugangskontrolle. Wir waren total überrascht, um welch riesigen Gebäudekomplex es sich handelte. Uns wurde mitgeteilt, dass wir nur für die Grundschüler spielen sollten, wobei es sich hier auch um die stattliche Anzahl von 1000 Schülern handelt.

Die Show sollte in der Sporthalle stattfinden, die an der linken und rechten Seite mit Tribünen ausgestattet war, auf der dann unsere Zuschauer Platz finden sollten. Kurz vor der Show wurden tatsächlich alle Kinder von ihren jeweiligen Lehrkräften, in Reihe, diszipliniert in die Halle geführt.

Wie auch schon bei vorangegangenen Shows mussten wir unsere Spielweise erneut umstellen und überlegten dann gemeinsam, was wir ändern mussten. Wir entschieden uns, möglichst weit auseinander und laut zu spielen, wobei wir dann auch auf Nachfrage ein Mikrofon zur Verfügung gestellt bekamen, um zumindest unsere Musik durch die Lautsprecheranlage unterstützen zu können, was auch gut funktionierte. Man kann sich gut vorstellen, wie bei 1000 Grundschülern in einer Turnhalle die Geräuschkulisse ist. Hatten wir vor drei Tagen noch Atmosphäre eines Fußballfelds, war es heute eher, als würde man den Kopf in ein Düsentriebwerk stecken. Wir sind mit einer Kulisse konfrontiert, die es in sich hat – ohne zusätzliche technische Ausrüstung eine Show für an die Tausend Kinder zu spielen, grenzt ans kaum noch Mögliche. Eigentlich kann man nur noch gewinnen.

Die Kinder sind begeistert und machen hervorragend mit. Überrascht sind wir, als bei einer kleinen Liebesszene (Mariposa tanzt zusammen mit Pato mit einem Herzluftballon) die Kinder ständig „Beso Beso Beso – Küsschen – Küsschen“ rufen und wir dies erst nicht verstehen. Nach einer kurzen Nachfrage bei Ruth gibt es tatsächlich ein kleines Clownsküsschen.

Erst dann war ein Weiterspielen möglich. Dies jedoch, wer weiß ob aufgrund des Küsschens, unter deutlich wachsender Unruhe und überschwänglich werdender Begeisterung; immer mehr Kinder erheben sich von ihren Sitzen, manche beginnen, quer über die Bühne durch die Halle zu rennen. Nach zwei Dritteln der Show biegen wir in unseren Abschluss-Song ein, und starten eine Runde zum Abschied winkend. Die Welle an Freude der Kinder schwappt auf uns über und wir werden Hunderte Male umarmt, Viele Lehrer mit ihren Schülern wollen noch ein Gruppenfoto und bedanken sich herzlich für den Auftritt.

Die Schlacht von Ayacucho

25.04.2023

Die Geschichte Perus ist durchzogen von kriegerischen Auseinandersetzungen und bewaffneten Konflikten um Ressourcen, Macht, Einfluss und Kontrolle. Ausdruck findet das dergestalt, dass in wohl jeder peruanischen Stadt der Hauptplatz Placa de Armas heißt – Platz der Waffen. Placa del Amor hätte dann doch irgendwie mehr Stil. Nun, in gewisser Weise gilt dies natürlich für das gesamte Südamerika und darüber hinaus für den Rest der Welt. Müßig zu spekulieren, ob diese Spiralen von Gewalt und Gegengewalt jemals ein Ende finden werden.

Wir besuchen Quinua, einen Ort, den man wohl zurecht historischen Boden nennen darf, war er doch 1824 Schauplatz der entscheidenden Schlacht im Unabhängigkeitskrieg der südamerikanischen Kolonien; die kolumbianisch-peruanischen „Patrioten“ besiegten die Spanier und leiteten die endgültige Unabhängigkeit Lateinamerikas ein. Ob es abgekartetes Spiel war, ist immer noch Gegenstand widersprüchlicher Forschung.

Heute ist das Dorf verblüffend, als Hochburg des peruanischen Kunsthandwerks inszeniert, sauber, herausgeputzt wartet es auf Touristenströme, wie sie in Arequipa oder Macchu Picchu Gang und Gebe sind. Einziger Wermutstropfen: es ist komplett leergefegt, nur jeweils in der Osterwoche kommen angeblich Tausende und Abertausende Peruaner, um dem Ort mit seiner Geschichte einen Besuch abzustatten.

Aber auch hier gibt es 100 oder 200m abseits der Inszenierung eine Grenze, die es nicht nur in Peru, sondern an vielen Orten der Welt gibt – die zur Wirklichkeit, die durch prekäre Lebensumstände und Armut gekennzeichnet ist.

Wir ziehen nicht in die Schlacht, sondern spielen vergnügt eine Show in der Schule von Quinua, zu der auch Dutzende Kinder aus Nachbardörfern und weiter gelegenen Orten eingeladen sind – in Summe sind sicher etwa 500 Menschen mit dabei. Und wir liefern die noch nicht gezeigten Bilder aus Yanama nach.

Zugegeben: immer noch und immer wieder „kämpfen“ wir mit kleinen widrigen Umständen; Hitze, Kurzatmigkeit, Unwägbarkeiten, all das aber schmälert die Freude an der Begegnung mit den Kids nicht im Geringsten.

Der weite Himmel der Inka

26.04.2023

Heute fahren wir ins Dorf, das nicht einmal google kennt, Rosaspampa heißt es und liegt auf knapp 4400 Metern Seehöhe.
Alle passen gut aufeinander auf und die Frage die über allen Köpfen zu schweben scheint ist: Wie werden wir wohl diese Höhe vertragen, müssen wir langsamer machen beim Spielen? Sicherlich. Wird jemand ausfallen? Denkbar. Wir sind zwar mittlerweile gut auf 3000m akklimatisiert, aber dort, auf 4500-5000m beginnt die Zone, in der es so schön heißt: Ein Schritt – Ein Leben.
Los geht´s, mit dicken Jacken, es soll kalt werden, Hut und Sonnenschutz, für die starke Höhensonne dort oben, mitten in den Bergen, zwischen Alpakas, Ziegen und schwarzen Schweinen.

Vor Ort angekommen, werden wir herzlich, aber dennoch distanziert begrüßt. Es hat angenehm frische 10°C, und wir sehen viele Lehmhütten, aber auch erstaunlich neue Bauten, u.a. eine Schule, die für die Anzahl der hier lebenden Menschen völlig überdimensioniert wirkt.

Später wird uns erzählt, vor nicht allzu langer Zeit hat es auch ein Bauprojekt gegeben, in dem Toiletten für die Anwohner erbaut wurden. Leider wurde sich wahrscheinlich ein Großteil des Geldes in die Tasche gesteckt und für die Menschen fast unbenutzbare Toiletten errichtet, in denen man sich nicht umdrehen konnte. Man musste sie rückwärtsgehend betreten, um eine Chance zu haben sich hinsetzen zu können. Es dauerte nicht lange, bis die Bewohner das Ganze als äußerst unpraktikabel befanden und mit dem Kommentar „ihr könnt uns alle mal am…“ wieder die Natur nutzten.

Die Kinder und Erwachsenen hier oben treten uns im Vergleich zu den letzten Tagen ungewohnt misstrauisch entgegen. Hier gibt es keine „Knuddel-klumpen“ wie z.B. an dem Tag in der Turnhalle. Bereits den Kindern sieht man das sehr harte, eintönige Leben in den Bergen an. Die meisten Kinder haben stark gerötet, schuppige Backen von der starken Sonne ohne Sonnenschutz und der Kälte.

Auch hier ist es keine Seltenheit das eine heranwachsende Frau mit 17 Jahren bereits ihr Kind auf dem Rücken trägt. „Hier fängt man früh an, die Menschen hier oben werden nicht alt“, bekommen wir dazu erklärt. Weiters wird uns erzählt, dass die Menschen hier äußerst ungern fotografiert werden, da sie befürchten, ihnen würde dadurch die Seele gestohlen. Wir willigen ein, keine Einzelporträts zu machen.

Der Eintritts-Code in diese fremde Welt ist das Quetchua, die alte Sprache der Inka und heute der Campesinos, ihrer Nachfahren. Quetchua, das für europäische Ohren vollkommen fremd und ungewohnt klingt, ist nach Spanisch und Portugiesisch (in Brasilien) die Sprache mit der drittgrößten Sprecheranzahl in Südamerika. Wir können immerhin einen kleinen Tribut zollen, für die heutige Show heißt Mariposa auf Quetchua „Pillpintu“ und Pero wird zu „Alchu“.

Die „ältere“ Generation der hier oben Lebenden hat den Terror der in den 80er Jahren begann miterlebt. Viele der jetzt das Dorf Bewohnenden haben ihre Eltern verloren. Da der Sendero Luminoso (Leuchtende Pfad) ohne Uniformen auftrat, verdächtigte man schnell die indigenen Bauern des Terrorismus. Zugleich war Fakt, dass die Terroristen die Bauern unter Druck setzten, ihnen Essen zu geben. Taten sie dies nicht, wurden sie umgebracht. Es war die Wahl zwischen Pest und Cholera – die Polizei ermordete die Bauern später, wenn herauskam, dass sie die Terroristen durch Nahrung unterstützen. Auf viele solcher perfider Arten wurden die Campesinos zwischen den Fronten zerrieben, ein Umstand, der auch bis heute in ihr kollektives Gedächtnis eingebrannt ist.

Die zwei schönsten Überraschungen des Tages sind: wir merken zwar deutlich, wie dünn die Luft hier heroben schon ist, sind aber in der Lage, die Show quasi ohne Einschränkungen zu spielen – nur bei den vielen Verfolgungsjagden geht uns rasant die Puste aus. Und: Die Show funktioniert auch hier heroben, wo sich der weite Himmel der Inka an die Berge schmiegt; ohne große Anlaufzeit gehen die Kinder und Erwachsenen mit uns Clowns mit.

Die Frauen von Santa Rosa

27.05.2023

Heute ist unser vorletzter Spieltag, alle haben es vermutet, keiner jedoch für möglich gehalten, dass die Zeit so schnell vorübergeht. Angekündigt wurde bereits, dass heute die bei uns wohnende „Hofente“ geschlachtet werden soll, trotz Einspruch von Seiten der Payasos (Clowns). Der, obwohl vehement vorgetragen, hilft nichts, die Ente wird geschlachtet, ob wir mitessen oder nicht.

Bis wir in Santa Rosa sind, fahren wir gefühlt stundenlang die wohl buckeligste aller Straßen Perus entlang und unser Frühstück wird nochmal gut durchgeschüttelt. Wir kommen etwas grün im Gesicht an und staunen, was eine menschliche Wirbelsäule aushält. Wir werden freudig und wieder mit vielen Umarmungen begrüßt, eine Campesina kommt mit einer Tüte voller Blüten auf uns zu und besingt uns, während sie uns mit Blumen bestreut. Es wirkt wie eine Clownssegnung, alle wirken beseelt.

Im Anschluss an die sehr gut laufende Show werden wir zur Hühnersuppe eingeladen. Riesentöpfe werden angeschleppt, Stühle verrückt und alle Zuschauer samt den Payasos mit Schüsseln voller Suppe versorgt, immer wieder staunen wir über den Umstand, dass hier oft ganze Dörfer zusammen essen.
Beim Essen erzählt uns eine der Ordensschwestern, dass sie aus Bolivien kommt. Andere kommen aus Mexiko, Venezuela, Peru und anderen Teilen Mittel- und Südamerikas. Sie fühlt sich, sagt sie, hier in Peru sehr wohl. Könne jedoch überall leben, wo ihr Orden ansässig ist. Ihre positive Lebensenergie ist sofort spürbar und sie meint, sie möchte für die Clowns beten, wenn der Abschied gekommen ist.

Was an diesem Tag ebenso nochmals spürbar ist, dass viele junge Ordensschwestern ihren Dienst hier an den Menschen leisten. Wir haben ja auf unseren Spieltagen unterschiedliche Orden und Schwestern kennengelernt, eines haben aber alle gemeinsam: Ohne sie würde vieles, vor allem die Versorgung von Menschen in Hilfsbedürftigkeit, nicht oder nur sehr eingeschränkt laufen; sie bilden ein wesentliches Puzzlestück von sozialen Netzwerken, insbesondere auch für Kinder, alte Menschen und andere Frauen.

Erfahren haben wir in vielen Gesprächen, dass es keine Seltenheit ist, dass eine Frau hier 6 bis 10 Kinder in ihrem Leben bekommt, häufig von unterschiedlichen Männern; und immer ist die Hoffnung dabei, dass dieser eine Mann sich um alle die Kinder kümmern wird.

Am dritten Tag haben wir in der Lehrstätte für Frisörinnen gesehen, in welch schwierige Situation das viele, auch minderjährige Frauen bringt. In einer sehr verarmten Gesellschaft, in der geschlechtliche Rollenbilder noch dazu sehr zementiert wirken, haben jedoch alle wenig Spielraum. Die Männer arbeiten, oft als Tagelöhner, die Frauen kochen und versorgen die Kinder. Viele Frauen sind alleinerziehend und verkaufen nebenbei an der Straße Essen, Eis und Handarbeiten.

Wie prekär die Lage mancher Frauen ist, erfahren wir, als eines Morgens eine Frau an unserem Wohnhaus auf Besuch kommt, die handgefertigte Kuscheltier- Alpakas und Schafe verkauft; sie ist seit Jahren in der Krankenstation bekannt, da sie nun zum zweiten Mal Lymphknotenkrebs hat und zur Behandlung nach Lima muss – ein aufgrund der hohen Kosten fast nicht durchführbares Unterfangen. Sie zeigt uns die Narben der ersten OP und bricht in Tränen aus, als sie sechs ihrer Kuscheltiere an uns verkaufen kann.

Die Gringos und der bank run in Ayacucho

28.05.2023

An unserem letzten Reisetag hat Ruth für uns einen Auftritt in der Innenstadt von Ayacucho organisiert; auch der Bürgermeister freut sich schon. Zumindest wird es so kolportiert. Es ist der sogenannte Tag von Ayacucho, an dem zahlreiche Folkloregruppen von Erwachsenen und Kindern in Umzügen durch die Innenstadt ziehen. Fairerweise muss man dazu allerdings sagen, vermutlich ein peruanisches oder südamerikanisches Phänomen, dass es eigentlich ständig Gruppierungen gibt, die lärmend, musizierend oder singend über die Placa de Armas, den zentralen Platz im Zentrum, ziehen. Inclusive Pferden, riesigen Trommeln und großartiger Stimmung.

Am Morgen besichtigen wir den vorgesehenen Auftrittsort auf dem Vorplatz der Musikschule und sind schon überrascht, da es offensichtlich eine Show und Auftritt in einer Art klassischem Format von Straßentheater werden wird.

Dabei fällt uns auf, dass heute etwas anders ist als an den Tagen wo wir hier schon unterwegs waren. Gegenüber befinden sich zwei Banken, vor denen sehr lange Menschenschlangen darauf warten, in die Bank zu gelangen. Nicht einmal Ruth kann sich oder uns erklären warum, also gehen wir von einem bank run aus. Wäre hier auch nicht wirklich ungewöhnlich, in Südamerika sind Hyperinflation, Währungsreformen und ähnliche Phänomene, leicht übertrieben formuliert, Tagesgeschäft.

Stunden später, als wir unsere Show beginnen, sind wir mit einer skurrilen Mischung an Zuschauern konfrontiert: vor der Bühne befindet sich eine stetig wachsende Anzahl Kinder und Erwachsene. Viele Passanten gehen an der Bühne vorbei, viele bleiben aber auch stehen und schauen sich unser Spiel mit Begeisterung an. Im Hintergrund drehen sich die in den bank run-Schlangen Stehenden zu uns und freuen sich über die Abwechslung beim Warten. Irgendwie scheinen die Stadtmenschen auch ganz schön Vergnügen zu haben, dass drei Gringos in ihrer Fußgängerzone als Payasos sin fronteiras zu Gast sind. Schon wieder eine tolle neue Erfahrung, die mit Sicherheit in bleibender Erinnerung behalten wird.

Und dann ist Schluss, ein paar Abschiedsfotos mit den wunderbaren Menschen, die die Tour erst möglich gemacht haben, ein Tag zur Nachbesprechung in Lima, und eine 30-stündige Heimreise stehen uns bevor. Wir sind sehr dankbar, dass uns dieses wilde und bunte Land mit seinen herzlichen und stolzen Menschen so gastfreundlich aufgenommen hat. Vielleicht ist uns ja gelungen, auch ein kleines bisschen zurück zu geben.

Gepostet am

01.04.2023