Die Nacht war kurz und das sah man uns auch an, als wir um 7:30 Uhr am Frühstückstisch saßen. Die Fahrt durch die Berge und späte Ankunft am Vorabend hatte das Blogschreiben und Fotos aussuchen sehr weit nach hinten verschoben. Der nächste Auftritt war für 9:00 Uhr angesetzt und so brachen wir auch schnell wieder auf bis zum Ortskern von Fushë-Arrëz.
Vorbei an sehr heruntergekommenen Wohnblöcken, die tagsüber nicht weniger unheimlich aussehen, einer seit Jahren leerstehenden Fabrik für Pressholz und einigen kleinen schäbigen Läden erreichen wir recht zügig die „Shkolla 9-Vjecare“.

Auf dem Hinweg muss ich darüber nachdenken was uns Schwester Gratias am Vorabend erzählt hatte. Die Kupfermiene sowie die Kupferfabrik hier im Ort wurden, aus wohl eher dubiosen Gründen, im November 2015 geschlossen und dadurch ein Großteil der Bewohner arbeitslos. Die Schließung zog vom Mienen- bzw. Fabrikarbeiter über die LKW-Fahrer bis hin zu den Verkäufern in den Geschäften im Ort einen Rattenschwanz nach sich. Durch die neue Autobahn gibt es kaum noch Durchgangsverkehr im Ort wodurch die Tankstelle und Lokale auch kaum noch Umsatz machen oder Arbeitsplätze bieten. Nur noch die wenigsten haben hier Arbeit und das kann man deutlich sehen. Es fehlt hier an allen Enden und laut den Erzählungen von Schwester Gratias ist es nicht unüblich, dass man den Kindern im Kindergarten das Essen am Tisch mit Besteck erst beibringen muss.

Gerade hier im „Kisha Katolike“ erfahren die Bewohner aus dem Ort und Umland sehr viel Unterstützung. http://www.missionsstation-fushearrez.de/
Kindergarten, Ambulanz, Ausbildungsförderung, Hilfsgüter und sogar Hygienekurse werden seit mittlerweile 21 Jahren gerne angenommen. Durch die hauseigene Landwirtschaft und die Näherei sind sie mit gerade mal 26 Angestellten momentan der größte Arbeitgeber im Ort. Wohlgemerkt gibt es laut offiziellen Angaben hier über 4.000 Einwohner.

Als wir dann die Schule betreten wollen, öffnet uns ein netter älterer Herr das Eisentor an der Straße. Hier kommt niemand einfach so raus oder rein. Im Vorraum der Schule fallen die teilweise sehr gekonnten Zeichnungen und Gemälde der Schüler ins Auge. Pferde, Palmeninseln, Drachen und Märchenszenen.
Einige der Motive jedoch sprechen Bände. Weinende Gesichter, ein Eifelturm, der Lebenszyklus einer Frau vom Kleinkind zum Mädchen zur jungen Frau und zur Mutter. Man bekommt einen Eindruck, welche Themen und Perspektiven einige der Kinder beschäftigen.

Bald wird der Schulhof als Auftrittsort auserkoren. Zwischen dem Gebäude und dem Hof befindet sich ein schmaler Graben der von außen zur Turnhalle führt.

Wir bauen schnell unsere Bühne vor dem Graben auf, damit wir im Schatten spielen können. Die Auswirkung dieser Entscheidung sollte uns später noch beeinflussen. Nachdem wir uns in der Turnhalle umgezogen hatten, zogen wir über den Hofgraben fröhlich ein. Sowohl die knapp 250 Schüler als auch die Lehrer hatten ihren Spaß mit uns. Wir positionierten uns mit dem Rücken zum „Abgrund“. Je weiter die Show voran rückte desto mehr wurde uns klar, dass die Kinder von allen Seiten an uns herankamen. Irgendwann waren wir komplett umringt, da etliche ältere Schüler sich in den Graben gestellt hatten. Also mussten wir gegen Schluss die Show etwas abkürzen, da die Kinder beim Luftballonschlucken noch näher an mich heran kamen und unser Freiraum bis zum Graben deutlich schrumpfte. Wir bahnten uns musizierend unseren Weg zurück durch den Graben in die Turnhalle und wurden dort auch gleich wieder mit Selfies überrascht.

Wow – Welch‘ ein Erlebnis.

Schnell wurden die Sachen gepackt und wir brachen gleich auf zur Schule im Nachbarort Kryezi. Die Autofahrt dauert gerade mal 10 Minuten über eine neu asphaltierte Straße den Berg hinauf. Dass einige der Schüler (gemischten Alters) genau diese Strecke jeden Morgen in einer Stunde zu Fuß zu bewältigen haben, erfuhren wir später.

Vor dem Schulgelände bauten wir unsere Bühne auf einem Platz mit einer hohen Steintreppe auf. Umringt von Bäumen und Bergen spielten wir vor ca. 70 begeisterten Zuschauern eine sehr schöne Show. Die Kinder standen auf und klatschten als wir einzogen. Von Anfang an waren sie gespannt dabei mit dem Unsinn den Deti, Pite, Nuhatje und Topa da so trieben. Zum Abschluss gab es noch ein großes Gruppenbild mit allen Schülern und Lehrern vor dem Schulgebäude. Man merkte, dass das schon ein besonderer Moment für Schüler wie Lehrer war. Während der Rückfahrt erfuhren wir von Schwester Gratias, dass vor einigen Tagen alle Projektoren und Computer aus der Schule gestohlen wurden. Ob und woher die Schule Ersatz beziehen könne, sei unklar. Nur zu oft scheinen Schulausstattungen in Depots zu verschwinden und die Schulen warten lange Zeit vergeblich.

Eigentlich wäre dieser Auftritt dann auch schon der Letzte des Tages gewesen, doch bereits während unseres Frühstücks keimte der Plan noch eine Extra-Show für den Kindergarten hier im Kloster zu geben. Und so wurde kurzerhand für den Nachmittag eine Vorführung für alle Kindergartenkinder angesetzt. Rasch trugen viele fleißige Helfer Bänke herbei, wir bauten wieder unsere Bühne auf und schon konnte die dritte und vermutlich „fairste“ Show des Tages beginnen. Denn wenn Pité den Kindern zeigen möchte, wie toll er jonglieren kann, kann es doch wohl nicht sein dass Deti seine Bälle stibitzt oder seinen Hut auf den Boden wirft. Immer wieder springen die Kleinen auf und kommen Pité zu Hilfe. Da muss Deti schon sehr einfallsreich werden um die stibitzten Bälle zu verstecken.
Die 45-Minuten-Show dauerte gefühlte 10 Minuten und zum Abschluss bot Nuhatje -zum ersten Mal auf dieser Reise – ihre Hula-Hoop Einlage dar. Wir verabschiedeten uns von den strahlenden Kindern und zogen uns erschöpft aber glücklich wieder zurück.

Und so endet auch dieser Tag mit dem Gefühl, er wäre in Minuten vergangen, aber man spürt, dass man vielen Kindern und Erwachsenen unvergessliche Momente beschert hat.

Tobi – Magic Topa