Ähnlich wie an den letzten Tagen in den Bergen fängt unser Tag in Shkoder heute wieder sehr früh an. Die Nacht war gefühlt viel zu kurz, die langen Autofahrten und die Anstrengungen der vergangenen Shows machen sich langsam deutlich bemerkbar. Ausserdem schnarchen meine Zimmergenossen wie die Weltmeister, was einen Umzug meiner Schlafstatt mitten in der Nacht unumgänglich macht (Pité und Topa behaupten übrigens ebenfalls dass ihre Nachtruhe durch meine Atemgeräusche gestört würde).
Beim kurzen aber liebevoll vorbereiteten Frühstück bei Schwester Mela und Schwester Christina erfahren wir die berührende Geschichte des Adoptivsohnes Abraham, der sich seit Tagen auf die Ankunft der Clowns freut. Ihn haben die Schwestern am vierten Tag seines Lebens aus einem Krankenhaus aufgenommen – seine leiblichen Eltern hatten den jungen Menschen aufgrund seiner körperlichen Beeinträchtigung nach der Geburt sofort verstoßen. Für ihn und alle Eingeladenen werden die Clowns morgen die letzte Show auf dieser Tour auf dem Gelände der „Arche Noah“ spielen.

Vorerst steht aber ein Termin in einer Gesamtschule im Stadtkern an. Wir fahren 15 Minuten mit dem Tourbus bevor wir ein typisch albanisches Schulgebäude erreichen. Uns werden 350 Kinder als Publikum angekündigt und so riskieren wir es den Show-Vorhang auf dem Sportplatz aufzuhängen obwohl das Wetter sich sehr unbeständig präsentiert. Beim Einzug der Clowns auf dem Platz tröpfelt es leicht, hört aber schnell wieder auf. Es dauert nun keine 10 Minuten da scheint der Himmel zu platzen und blitzschnell dirigieren die Lehrerinnen ihre Schüler zurück ins Gebäude und der Sportplatz liegt wie leergefegt da. Nach einer kurzen Beratung in der provisorischen Umkleide beschließen wir, die Show für die kleinsten unter den Schülern in der winzigen Turn-„Halle“ fertigzuspielen. Die Luft ist zum Schneiden stickig, den Clowns rinnt der Schweiß von den Stirnen, aber eine in der Show beinhaltete Wasserdusche sorgt für eine kleine Erfrischung.

Nach der Show ruhen wir uns eine Stunde im hölzernen Kinderhaus der Schwesternschaft aus bevor es weitergehen soll. Es gießt in Strömen, von dem kurzen Weg vom Auto zum Haus sind wir klatschnass, am liebsten würden wir den Tag jetzt beschließen und vom Fenster dem Regen und der dampfenden Landschaft zusehen und wie die Wolken an den nahegelegenen Bergen kleben.

Nach einem Telefonat mit unserer nächsten Kontaktperson geht es dann weiter. Die Hilfsorganisation „Women in Development“ betreuen Romakinder die teilweise auf der Straße leben. Über eine Kooperation mit „Save the Children“ kam unser Termin zustande. Aus Ermangelung eines geeigneten Auftrittsortes und des monsunartigen Regens findet die Show aber im „Don Bosco Centre“ statt. Ungefähr 50 Kinder werden mit Bussen gebracht die im bestuhlten Mehrzweckraum auf die Clowns warten. Die Clowns geben nochmal alles um das junge Publikum aus der Reserve zu locken und schnell springen Kinder den Clowns bei wenn diese sich gegenseitig necken, sich Bälle wegnehmen oder sich mit Fliegenklatschen traktieren. Die magischen Nummern versetzen auch die anwesenden Betreuer und Fahrer in helle Begeisterung – mir offenen Mündern bestaunen sie wie Topa einen ganzen Luftballon verschlingt.

Nach der Show reißen uns die Kinder die mitgebrachten Postkarten förmlich aus den Händen, ein Junge will sogar in den Kofferraum steigen und mit uns kommen.
Etwas verloren müssen wir die kleine Gruppe im Regen stehen lassen unser Bus und ihr Bus ist zur Abfahrt bereit und wir sind zum Abendessen in der Schwesternschaft verabredet.
Dort werden wir wieder mit leuchtenden Augen von Abraham erwartet. Er kann kaum etwas essen und versucht mit Witzen die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Gelingt es ihm manchmal nicht ganz den Spannungsbogen bis zur Pointe zu spannen hilft Schwester Mela aus. Die Gesellschaft am Tisch besteht neben den beiden Schwestern und uns Reisenden aus den Mitarbeiterinnen, dem kleinen Toni und einem Freund von Abraham. Nach dem Essen kommen wir um eine wilde Runde Fußball im Eingangsbereich des Klosters nicht herum, Abraham liebt Fußball! Eigentlich sind wir alle todmüde, aber die unermüdliche Energie der beiden Jungs reißt uns einfach mit. Abraham stellt Teams zusammen: die Mitarbeiterin Marina spielt mit Topa und Abrahams Freund gegen den Clown Pité, mich und Abraham – Nuhatje und Deti geben nach kurzer Überredung zu zweit die Torwärterinnen und der kleine Toni sitz am Spielfeldrand in seinem Stühlchen.
Wieder nassgeschwitzt machen wir uns nun aber endgültig für heute auf den kurzen Fußweg vom Kloster ins hölzerne Kinderhaus.
Morgen haben wir keine Wege zu bewältigen, unser Publikum wird Mittags zu uns in die „Arche Noah“ kommen – also Zeit kurz etwas durchzuatmen – wir freuen uns darauf, und auf die finale Show bei unseren liebgewonnenen Freunden in Shkoder.

Gute Nacht allerseits! Niko