2. Tag Reyhanli/Türkei

Mein erster Blog, mein erster Tag in der Türkei, meine erste Reise mit den CloGs überhaupt. Ich würde ja schon vorgewarnt, dass die Organisation der Shows recht kurzfristig sein kann. Oh ja, das kann man wohl sagen.

Angekommen in Reyhanli gestern Nacht um halb zwölf, gleich die erste Besprechung bei kalter Pizza und warmer Limo. Halb zwei ins Bett, sieben Uhr aufstehen, Koffer sortieren, Einrad montieren und drei Tage Bart rasieren, dann aber jetzt mal ein ehrlich gutes Frühstück und um halb neun ab zur ersten Show nach Kirihan. Das mit der Uhrzeit ist allerdings wie bereits erwähnt seit dem Zwischenstopp in Istanbul eine Sache für sich. Die Zeitzonen wechselten quasi minütlich. Keiner von uns blickte mehr durch. Auf dem Flughafen immer eine andere Zeit als im Flugzeug. Dazu kommt -oder vielleicht war das auch der Grund?- dass in der Türkei die Uhren eine Woche später als eigentlich geplant auf Winterzeit umgestellt werden, nämlich morgen, weil Erdogan sonst am letzten Wahlsonntag um seine absolute Mehrheit fürchten müsste, oder so.

Ebenso originell war die Entscheidung der Schulleitung in der syrischen Schule in Kirihan, in der wir heute morgen um halb zehn spielen sollten. Nach unserer Abfahrt gegen halb neun aus Reyhanli und einer knapp einstündigen Reise, kamen wir, na, wann? Genau: gegen halb neun in der Schule an. Denn dort hat man einfach eigenhändig die Zeit für den Schulalltag um eine Stunde zurückgestellt, weil es sonst morgens einfach zu dunkel für die Kinder ist, zur Schule kommen. Unsere Verwirrung war komplettiert.

Schließlich konnten wir uns vom begrüssungssmalltalk loseisen, um unsere Show vorzubereiten. Vorbereiten heißt allerdings nur umziehen, schminken und Requisiten sortieren. Aufwärmtraining, wie ich es gewohnt bin, fällt allerdings flach.

Die Schule sieht aus, wie ein gewöhnliches mehretagenwohnhaus, hat aber 500 Schüler. Die Klassenzimmer, ich würde sagen 15 qm, mit kleinen Sitzbänken für 30 kleine Syrer.
Gespielt haben wir auf dem „Schulhof“, eine Asfaltfläche, so groß wie zwei der Klassenräume, eingefasst von einer Mauer, lose aufeinander gestapelte Ziegelsteine. Den Platz haben wir uns mit etwa 150 Kindern und einem kleinen Bäumchen geteilt, unter dem und um den herum wir rumgekaspert haben. Wenig Platz, viel Improvisation.

Jetzt nur noch ein paar Eindrücke aus dem Leben hier rundum.
Die Reiseleiterin und unsere kränkelnde Kamerafrau nerven schon ein bisschen rum, weil sie ins Bett wollen und den iPad wollen (obwohl, jetzt amüsieren sie sich gerade köstlich am Video von unserer Show).

Also, wir sehen auffällig viele junge Männer im Rollstuhl hier in Reyhanli, Kriegsversehrte, man weiß nicht genau, auf welcher Seite sie gekämpft haben. Wir sehen die Berge auf der syrischen Seite, ein paar hundert Meter vor uns, die so gar nicht nach Krieg aussehen.
Wir treffen hier im Hotel Achmed, der schon sechs Versuche hinter sich hat, übers Mittelmeer nach Griechenland zukommen. 3500 Euro hat er dafür ausgegeben, nur um immer wieder auf hoher See festgenommen zu werden und wieder zurück in die Türkei gebracht zu werden, wo er nicht arbeiten darf. Achmed ist 29, sieht aber älter aus, als ich (49).

Wir hören von vielen todtraurigen Geschichten und fahren doch selbst mit unserem Schulbus und Hussein am Steuer ein faszinierendes Roadmovie ab, bei lauschigen 23 grad in der Novembersonne durch wuselnden Verkehr, durch Platanenalleen, an Weizen und Baumwollfeldern vorbei, bei bis zum Anschlag aufgedrehter arabischer Halbtonmusik.