2. Tag Istanbul – 25. Mai

Gestern Abend haben wir länger über unseren Aufbau der Show gesprochen, gemeinsam abgewogen, ausgeklügelt, durchgedacht, gefühlt, was wie wo wann zu tun ist/wäre, was wir weglassen, länger ausspielen können, wenn solche Situationen, wie zu wenig Platz, Beengung, Übergriffigkeit auftreten sollten.
Nachdem wir unsere Show bisher nicht einmal durchspielen konnten, war es heute unser Ziel, genau das zu schaffen. Mit Erfolg!

Hayata Destek („Support to Life“) ist eine NGO, die sich um syrische Flüchtlinge kümmert und im Stadtteil Küçükçekmece („kleine Schublade“) einen Standort hat. Die Suche nach unserem Spielort wurde durch gut 15 Anfragen bei Passanten und Taxifahrern (2x zufällig derselbe) unterstützt.
Dieses Zentrum gibt syrischen Familien die Möglichkeit hier anzukommen, die Kinder zu beschäftigen und den Erwachsenen Hilfestellung in rechtlichen Fragen zu geben oder Fortbildungsmöglichkeiten zu schaffen.
 
Die ca. 50 Kinder mitsamt den noch ca. 30 Erwachsenen drumherum warteten auf uns und wurden vorab animiert bzw. auf unseren Auftritt „vorbereitet“. Das führte zu einer Konzentration der Kinder, die wir gestern vermisst hatten.

Die Show flutschte, wir hatten sehr großen Spaß während unseres Spiels, da wir allesamt viel mehr Kontakt zum Publikum gespürt haben – auch aufgrund der Änderungen, die wir v.a. zu Beginn vorgenommen hatten.
Auch zwischen uns entwickelte sich das Spielen weiter, ich merkte, wie erleichternd es war endlich unser Stück auch wirklich bis zu Ende spielen zu dürfen.

Drei Vertreter der Deutschen Bundesregierung (für Familienzusammenführung und Menschenrechtsbeauftragte) waren zufällig ebenfalls vor Ort, um sich ein Bild von unterschiedlichen NGOs wie dieser hier machen zu können und schauten sich unsere Show bis zum Schluss an. Auch sie hatten sichtlich Freude dabei zu sehen, wie die Kinder mit uns mitgingen, aus sich heraus kamen und am Ende den unmittelbaren Kontakt mit uns fanden.

Das, was ich gestern so vermisst hatte: sich Zeit nehmen können, einfach nur miteinander zu lachen, sich wirklich anzusehen, neugierig auf sein Gegenüber zu sein, sich aufeinander einlassen zu können,… ohne Hektik, ohne Angst, dass es eventuell kippen könnte.
Es war wundervoll, herzerwärmend und beruhigend zugleich.

Auf der Rückfahrt (mit ein bisschen Stau) hatten wir gute Gelegenheit, mit Petra und Tijen vom Goethe Institut zu sprechen und noch tieferen Einblick über die allgemeine und auch spezielle Situation in der Türkei zu bekommen. Die unbändige Energie und Kraft der beiden und auch ihrer Kollegen für ihre Arbeit ist sehr beeindruckend. Mit Humor läßt sich auch hier Vieles besser ertragen…

Kurz vor unserer Unterkunft kamen wir an dem Platz vorbei wo vor ca. 2 Monaten eine Bombe in einer belebten Straße gezündet wurde und mehrere Menschen in den Tod gerissen hat. Solche Momente sind für mich sehr intensiv. Das Leben geht hier offensichtlich weiter, der Mensch macht weiter. Im Hinterkopf oder/und Unterbewusst schwingen solche Ereignisse immer mit. Es verändert. In alle Richtungen.

Schaffe, schaffe, Hoffnung baua – wie der Schwabe zu sagen pflegt.

Miriam