2008 Rumänien – Reiseberichte


23.05.2008 - 03.06.2008

Anita Fricker, This Zogg, Susie Wimmer, Wolfgang Obrecht, Andreas Schantz, Sybille Teerporten (Fotografin)


Itinerary Date :03.06.2008

Reisebericht von Susie Wimmer

23.04.2009

Bericht über die Clowns ohne Grenzen Rumänienreise 23.05. – 03.06.2008, fast ein Jahr später, im April 2009

Da es bereits einige ausführliche Berichte über unsere Reise gibt, habe ich mich entschlossen meinen Bericht mit viel Abstand, aus meiner heutigen Sicht zu schreiben. Ich unterteile das in Bemerkungen zu

  • Clownsarbeit/Kinder,
  • Performance/Team/Sonstiges,
  • Land/Leute,
  • mir selbst.

Von 12 Performances an 7 Tagen und einem Krankenhauseinsatz in 12 Tagen
ist bis heute hängengeblieben:

Clownsarbeit / Kinder

  • viele viele viele unzählige Kindergesichter
  • die Kinder liebten das Improvisierte, den Walkact nach der Show, weil sie das Gefühl hatten, das ist nun wirklich nur ganz für sie speziell und alleine. Nach der Show ist mindestens so wichtig wie die Show selbst. Sie liebten es, sich Autogramme geben zu lassen auf alles, was irgendwie beschreibbar war.
  • die Kinder irgendwie in die Show mit zu integrieren ist super, selbst wenn’s mal kurz ausufert.
  • unsere Szenerie hinter dem Vorhang, den wir uns als Auftritts- und Requisitenverstaumöglichkeit mitgenommen hatten, war für die Kinder wahnsinnig interessant, mitunter sogar während der Show. Ein Geheimnis, ein Versteck ist einfach irre aufreizend, ein Umstand, dessen man sich bewußt sein muß, was man sich ja aber auch vielleicht für das Bühnengeschehen zu Nutze machen kann.
  • die meisten kannten ‚Clown’ nicht, höchstens vielleicht vom Zirkus, oder als traurigen, melancholischen Harlekin oder sie kannten Puppentheater.
  • eine Lehrerin sagte, es wäre für die Kinder eine völlig neuartige Erfahrung gewesen, uns privat zu sehen,dann als professionell-Aufbauende, dann als Clown mit Programm, dann improvisierend, dann beim Abbau, also so viele Aspekte an einzelnen, an einer Gemeinschaft, in so vielerlei Kontexten zu erleben, das war für die Kinder total neu.
  • die Zustände in dem Krankenhaus, das wir an einem Sonntag besuchten, besonders bei den Erwachsenen und alten Menschen – bei den Kindern war’s ok – machten mich sehr nachdenklich: Alles gemischt, Männer, Frauen, verschiedenste Krankheiten, Lebende, Sterbende, wahnsinnig wenig Personal, alles auf engstem Raum, Hygiene…??… für unser Verständnis……..?.. – In einer anderen Institution, was war das eigentlich? Altenheim? Psychiatrie? Jedenfalls geschlossen, da war alles noch extremer, ich hatte das Gefühl, die ganze Arbeit machen ein paar wenige robuste Engel. Der Anstaltsleiter…..?? …, die Ärztin kam irrwitzig aufgefedert wie von einem anderen Stern, man hätte sie so auch in der Staatsoper antreffen können, wow. – Die Bewohner waren hinreißend im wahrsten Sinne des Wortes. Auch hier war wieder gefragt: Ruhe bewahren; der Zusammenhalt der Truppe ist wahnsinnig wichtig. Und: Wie kann man sich nonverbal gegen Übergriffe wehren, ohne grob werden zu müssen. Das galt bei den Kindern auch oftmals. Nichtsdestotrotz waren diese beiden Erlebnisse wirklich zu tiefst beeindruckend, haben mich sehr berührt.
  • meiner Meinung nach war der Kontakt zu den Erwachsenen, die Gespräche mit ihnen, das Interesse genauso wichtig wie das Erleben für die Kinder, einfach jede Begegnung war absolut wertvoll.
  • ich hab’ gelernt, es ist ziemlich unvorhersehbar, unbeeinflussbar, was beim Publikum ankommt. Nicht spekulieren, einfach nur mit ganzem, mit offenem Herzen geben, selbst Freude haben. Der eigene Anspruch ist oftmals nicht immer das hilfreichste Kriterium.
  • Musik ist ein einzigartiges Kommunikationsmittel!

Performance / Team / Sonstiges

  • Merke: Sobald Du am Auftrittsort ankommst, bist Du die ganze Zeit auf Sendung, nicht erst/nur als Clown.
  • die Sprache nicht zu beherrschen war für mich ein großes Handicap, privat/persönlich natürlich, auch als Clown, da ich/mein Clown, also wir recht „verbal“ veranlagt sind. Es ist natürlich für den Clown auch eine große Chance.
  • ein guter Clown zu sein ist nur ein Teil von dem, was so eine Reise erfordert. Offenheit, Kommunikationsbereitschaft, Flexibilität, Standfestigkeit, Teamgeist und Teambereitschaft, innere Ruhe, eine gewisse Sensibilität und auch Unsensibilität, Toleranz und Respekt sind recht brauchbare Werkzeuge.
  • in der Gruppe nichts anstehen lassen, Dinge immer aus- und ansprechen, in und mit allem Respekt.
  • das Feedback jeden Abend ist eine großartige Hilfe!
  • nichts empfindliches mitnehmen, man hat nicht immer alles unter Kontrolle.
  • oft sprachen wir hinterher noch recht lange mit Betreuern, Lehrern, u.ä. Sicherlich war von Vorteil, daß wir kein Film- oder anderes Dokumentationsteam dabei hatten, so haben sich doch recht offene Gespräche ergeben.

Land / Leute

  • die Menschen haben (noch) Zeit, mit- und füreinander. Die Straßen sind belebt, die Bänke vor den Häusern sind tatsächlich immer besetzt, die Menschen besuchen einander. Das war auf der Rückfahrt auffällig, in Ungarn sah man keine Menschen auf den Straßen.
  • extrem beeindruckt war ich von der Gelassenheit, mit der die Erzieherinnen ihre Hundertschaften von Kindern wieder in die Schule zurückbeförderten, weil es eine Konfusion mit der Anfangszeit gegeben hatte, und wir erst am Anfang des Aufbaus waren; keinerlei Schuldzuweisungen, Ärgerkundgaben, Beharren oder sonstiges, einfach cool.
  • die 2 Richtungen, die ich gesehen habe: a) das Traditionelle, die ältere Generation, die traditionell gekleidet (Frauen mit Rock, Bluse, Kopftuch, Männer mit Anzughose und Hemd), mit Harke oder Sense das Land bearbeitet, mit 1 PS, sprich, dem Pferdekarren das Holz aus den Wäldern transportiert, auf selbigem sitzend aber mit Handy telefoniert. Klar, das Mobilfunknetz ist leichter zu installieren, als alle Haushalte mit Festnetzleitungen zu versehen. b) die junge Generation ist eigentlich gleich modern wie überall auf der Welt, wo es Strom gibt, auch das Fernsehen, auch das www.
  • die Stellung der Frauen erschien mir noch eher traditionell geprägt.
  • viele politische Strukturen scheinen sich nur äußerlich verändert zu haben, oftmals sitzen immer noch die gleichen Menschen an Stellen, die jetzt anders heißen.
  • beeindruckt war ich von dem nicht-vorhandenen Selbstbewußtsein des rumänischen Volkes, eine ja geradezu vernichtende Einstellung sich selbst gegenüber: „Da sind wir Rumänen doch eh zu blöd dazu.“ , u.ä. haben wir öfter zu hören bekommen. Es gibt eine große alles-Neue-Moderne-Westliche-ist-gut-oder-jedenfalls-besser-als-das-Alte-Mentalität.
  • Rumänien als Krisengebiet anzusehen ist nicht (mehr) adäquat. Es hat sich vieles geändert; doch, wie uns öfter versichert wurde, wollen die Medien natürlich lieber Spektakuläres berichten und sind an positiven Entwicklungen nicht interessiert.

mir selbst

  • ich habe gelernt Ruhe zu bewahren.
  • so eine Reise relativiert erneut wieder sehr vieles im Leben, an eigenen Emp- und Befindlichkeiten, Notwendigkeiten, Ansprüchen, etc.
  • die Annäherung an das „wahre“ Krisengebiet sollte durchaus langsam erfolgen.
  • so eine Reise ist ein Geschenk für die Kinder, die Menschen und genauso für einen selbst.
  • Erwartungen? Wozu? Erwarte alles, erhoffe nichts, erhoffe alles, erwarte nichts.
  • Clown ist eine Lebenseinstellung, das versuche ich zu vermitteln; mir auch.
  • Fazit: Ich würde jederzeit sofort wieder auf eine Clowns ohne Grenzen Reise gehen, egal wohin.

Pressebericht von Andreas Schantz

03.06.2008

Rumänienreise der Clowns ohne Grenzen e.V. im Mai 2008
Ein kleiner Reisebericht von einem Clown, der dabei war.

Mitwirkende:

This, Anita, Susi, Wolfgang & Andreas als Clowns
Sybille als Photografin & Kamerafrau
Peter als Gastgeber & Tourmanager vor Ort
Christiane als Regisseurin

Vor der Reise wurde ich gefragt, was ich von dieser Reise erwarte. Ich konnte nichts Bestimmtes sagen. Jetzt sind wir auf der Rückreise, etwa auf der Höhe von Budapest, und die Frage taucht wieder auf, nur anders formuliert, etwa so: „Was hat diese Reise bewirkt?“

Doch bevor ich versuche diese Frage zu beantworten vielleicht ein paar Fakten, damit ein kleines Bild von unserer Reise entsteht.

Wir haben uns im April getroffen und sind uns teilweise zum ersten Mal begegnet um drei Tage lang miteinander zu proben, mit Hilfe von Christiane Ahlhelm die Regie führte. In diesen intensiven Tagen entstand eine dreiviertel Stunde Clownstheater.

Am 23. Mai fuhren wir dann, mit einem Zwischenstopp in Wien, in zwei Tagen nach Viseu de Sus eine kleine Stadt im Norden von Rumänien. Alle in einem Bus, der bis Oberkante beladen war und die ganze Zeit treu dahin fuhr.

Unsere Unterkunft vor Ort war ein kleines rumänisches Häuschen – unten ein Gemeinschaftsraum und Bad, oben ein Schlaflager – dazu sagte unser Gastgeber Peter, der nebenan wohnte: „Hier kann man sich nicht aus dem Weg gehen, am besten ist es Konflikte immer gleich zu lösen.“ Wir konnten zwar sicher nicht all unsere Konflikte lösen, doch wir waren mehr oder weniger 24 Stunden am Tag zusammen, und kamen nach 12 Tagen als gut funktionierendes Tourneetheater wieder nach Deutschland zurück, dank einem Gruppengeist der sagte:

„Eine Gruppe ist so gut wie sie verschieden ist,  wenn sie sich verschieden sein lässt.“

Zurück zu den Fakten: In Viseu de Sus und Umgebung spielten wir unser Stück elf Mal in verschiedenen Einrichtungen – Schulen, Waisenhäuser, Nervenklinik, Kindergarten – und einmal improvisierten wir in einem Krankenhaus als Clowns für Groß und Klein. Ich schätze, dass wir in den neun Tagen in Rumänien für gut 2000 Menschen gespielt haben.

Um sich ein genaueres Bild zu machen ist es auch nötig das Leben in diesem Landstrich etwas zu beschreiben.

Dieser Teil von Rumänien ist ländlich, im Mai sehr idyllisch – viele kleine Bergkuppen, Ausläufer der Kaparten, mit Laubwald bewachsen, Pferdekarren die frisch geschlagenes Holz aus den Wäldern herunter fahren, an den Ausfallstrassen des Städtchens ein buntes Haus nach dem Anderen mit Gemüsegarten und Hühnern. Kurz um, ich spürte keine offensichtliche Not, doch eine klare Armut hinter den Zäunen. In Viseu de Sus kann man Kaffee trinken gehen, moderne Cafeterias die auch in München, London oder sonst wo in der „zivilisierten Welt „ sein könnten.

Also stellte sich mir bald die Frage: „Was machen wir hier? Fehlt den Menschen hier etwas wie Clownstheater?“

Hier muss ich einschieben, dass der Verein Clowns ohne Grenzen das Ziel hat Menschen in aller Welt, die in Not sind, eine besondere Art der Hilfe zu bringen:

Das Theater der Clowns – der Clown, diese spezielle naive Figur, die scheitert um wieder aufzustehen und wieder zu scheitern. Der Clown ist unverwüstlich, gibt nicht auf und bleibt empfänglich für die Umwelt. Der Clown braucht keine große Dramaturgie, sondern einfache Probleme mit denen er spielt und improvisiert.

Vielleicht ist es dieses zuversichtliche Scheitern, wodurch er das Publikum zu seinem Verbündeten macht und die Fähigkeit in der Not nicht den Humor zu verlieren?
Doch ich will nicht zu viel philosophieren oder idealisieren, denn schließlich fahre ich nach den Vorstellungen wieder Heim.

Also ich kann nicht sagen, was wir wirklich bewirkt haben, doch war nach unseren Auftritten oft eine neue Art der Begegnung möglich. Diese Art des Theaters hat das Potential die Menschen durch das Lachen für einander zu öffnen. Unsere Spielart prangert nichts an, sondern bereitet Vergnügen und geht doch irgendwie unter die Haut.

Wir führten lange und intensive Gespräche über das Land – seine tragische Vergangenheit und seine Aussichten für die Zukunft – mit unseren Zuschauern oder spielten noch weiter mit den Kindern nach der Show. Hier ein besonderer Dank an Peter, ein Schweizer dem Rumänien zur zweiten oder ersten Heimat geworden ist, und der uns unermüdlich zu jeder Tages- und Nachtzeit dolmetschte.
Was erst überraschend war, dann aber immer klarer wurde: Clownstheater ist dort unbekannt, das einzige Live-Theater, dass die Kinder dort kennen ist Puppentheater.

Peter hatte eine wahre Not überhaupt zu erklären was wir hier wollen. Und eine Rektorin sagte uns bei der Verabschiedung: „Wir haben heute eine neue Art der Kommunikation kennen gelernt. Danke.“
Diese Art der Kommunikation ist die Sprache des Körpers und der Emotionen, etwas anderes stand uns auch nicht zur Verfügung, da keiner von uns die Landessprache beherrscht. Und doch ist es genau die Sprache, die jeder versteht – für die einfachen Dinge braucht man keine Worte Gestik und Mimik genügen. Ein Arzt sagte es so: „Eure Augen und Gesichter sind Euch für diese Arbeit geschenkt worden.“

Um abzuschließen, ich habe den Eindruck, dass Rumänien die gute Wahl war für diese Reise. Einerseits da es durch lange Diktatur immer noch zum großen Teil in einer Art schweren Dornröschenschlaf gefangen ist und dadurch die Menschen dankbar sind für neue Impulse gerade auf kultureller Ebene. Anderseits hatte der Verein Clowns ohne Grenzen hier die Möglichkeit Erfahrung zu sammeln für weitere Reisen in schwierigere Regionen.

Ah, einen führenden Wirtschaftsexperten des 20. Jahrhunderts möchte ich noch zitieren, ich habe leider seinen Namen vergessen, doch er sagte in etwa: „… alles was vor Ort gebraucht wird sollte auch vor Ort produziert werden, das Export das Sinn macht ist die Kultur.“

Jetzt ist wirklich Schluss, ich möchte nur noch denjenigen Danken, die die Energie aufbrachten diesen Verein zu gründen und wünsche den Clowns ohne Grenzen und ihrem Publikum noch viele wunderbare Vorstellungen.

„Ceapa“ die rumänische Zwiebel

oder ganz offiziell

Andreas Schantz

Gepostet am

22.03.2020