2008 Rumänien, unsere zweite Reise


23.05.2008 - 03.06.2008

Anita Fricker, This Zogg, Susie Wimmer, Wolfgang Obrecht, Andreas Schantz, Sybille Teerporten (Fotografin)


Itinerary Date :03.06.2008

1. Tag

23.05.2008

Um ca. 13:00 Uhr fuhren Anita Fricker, Sybille Teerporten und ich, This Zogg, endlich los. Richtung München. Da luden wir Susie Wimmer und Wolfgang Obrecht und die Musikanlage ein. Weiter ging´s nach Ebersberg, dort wartete der letzte Teilnehmer der Reise, Andi Schantz, mit seinen sieben Sachen auf uns.
Die Befürchtung, ein zu kleines Fahrzeug zu haben, wurde knapp nicht wahr.
Jetzt konnte es richtig losgehen. Gespannt auf die uns bevorstehende Zeit und voll motiviert fuhren wir Richtung Osten.
Die erste Etappe endete in Wien. Wir konnten bei Freunden von Anita übernachten.

2. Tag

24.05.2008

Etwa um sieben Uhr in der Früh waren wir schon wieder mit kleinen Augen und noch ohne Kaffee im Bauch auf den Strassen Österreichs unterwegs.
Ungefähr eine Stunde bis zur ungarischen Grenze werden wir benötigen. Um acht Uhr beim Autobahnhotel „Paprika“ sollten wir auf Hermann Rauber von „Rumänien-Hilfswerk Schweiz“ und seinen Begleiter Ueli, dessen Nachname ich leider vergessen habe, treffen.
Ueli ist ein pensionierter Kleinunternehmer, unterstützt Hermanns Verein und reist mit ihm mit um sich die verschiedenen Projekte anzuschauen.
Nach einer kurzen Begrüssung geht´s gleich weiter im Konvoi quer durch Ungarn.
Um ca. 15:00 Uhr passieren wir die rumänische Grenze.
Das Tempo verlangsamt sich automatisch – es gibt keine Autobahnen. Die Strassen sind teilweise recht abenteuerlich. Dafür ist die Landschaft umwerfend schön und Kontrastreich. Der typische Rumänienduft von Abgasen, staubigen Strassen, Schweiss, grünen Wiesen, gefälltem Holz, Kaminrauch, Akazien und Pferden begrüsst die Nase.

Um acht Uhr Abends erreichen wir endlich Viseu de Sus.
Wir werden von Peter Johner seiner Frau Marcella, deren beider Kinder Tabeja und David sowie von Marcellas Mama herzlich begrüsst.
Diese Tage können wir bei ihnen im historischen“Touristenhäuschen“ gastieren. Dieses Häuschen stand früher in einem Wald weiter oben in den Bergen. Hermann und seine Helfer bauten es ab und stellten es in Peters Garten wieder originalgetreu auf.
Ein Bad, ein kleiner Aufenthaltsraum mit Kamin im Erdgeschoss und ein Massenlager für ca. zehn Personen unterm Dach.
Peter informiert uns über die bereits organisierten Spielorte, die Tage die noch offen sind und wir sind beeindruckt über die Arbeit die er im Vorfeld schon geleistet hat.
Wir laden den Bus aus, richten uns etwas ein und bekommen danach Abendessen.
Peter erzählt uns tausend Geschichten über Rumänien, die Bevölkerung, wie er hierher kam und vieles mehr.
Müde und guten Mutes sinken wir in unsere Schlafsäcke.

3. Tag

26.05.2008

Da wir uns seit den Proben in Augsburg nicht mehr gesehen haben, veranstalten wir eine Generalprobe im Garten unserer Unterkunft.
Wir müssen die ganze Technik noch einmal checken, Mikrofone, Headset, Keyboard etc.
Der Ablauf ist noch ganz gut in unseren Köpfen. Kleinigkeiten werden noch verfeinert und Unklarheiten geklärt.
Bei den musikalischen Einlagen fehlt es noch am meisten, deshalb gibt es eine extra Musikprobe.
Schon die Generalprobe war der erste Kontakt mit den Menschen in dieser Strasse. Sie schauten verwundert über den Gartenzaun, schmunzelten, lachten und winkten uns zu.

4. Tag

26.05.2008

Der erste Auftritt fand in einer Schule fünf Minuten von unserem Lager entfernt statt.
Die Schule Nr. 4, am Stadtrand von Viseu de Sus. In diese Schule gingen etwa 400 Kinder. Sie haben teilweise einen Schulweg von über zwei Stunden. Ihre Familien leben in den Bergen rund um Viseu. Ausser den neuen Fenster, die wahrscheinlich aus dem Westen gestiftet wurden, sah das Schulhaus aus wie sie bei uns vor etwa fünfzig Jahren sein mussten.
Die Mauern bröckelten, die Toiletten sind sehr sanierungsbedürftig. Die Tafeln, Bilder, Pulte, Stühle, Bücher, Vitrinen und die Schulzimmer selbst, erinnern einen an Fotos aus Geschichtsbücher.
Von der ersten Minute an wurden wir von den Schüler und Lehrer beobachtet. Die Direktorin empfing uns sehr korrekt.
Wir bauten auf, machten Soundcheck, zogen uns um.
Die Kinder versammelten sich im Hof vor unserer „Bühne“. Da es zu wenig Schulräume gibt für alle Kinder, werden sie aufgeteilt in Vormittag – und Nachmittagsgruppen. Deshalb war die Hälfte der Schüler anwesend.
Sie waren sehr zurückhaltend am Anfang. Auch wir mussten uns erst noch finden.
Erst bei der Verabschiedung erklärte uns die Direktorin, dass die Kinder eine solche Art von Theater nicht kennen. Wir hätten eine neue Kommunikationsweise mitgebracht. Die Lehrer hatten zwar zuvor den Kids im Unterricht kurz erklärt was Pantomime und Clownerie sei.
Die jungen Menschen sind während der Show schon ziemlich aufgetaut. Nach dem Showblock sind wir Clowns ins Publikum, suchten und fanden den direkten Kontakt.
Die Schranken sind vollends gebrochen, das Eis geschmolzen, die Angst verflogen und wir hatten riesigen Spass zusammen.

Ganz anders lief es in der Schule Nr. 1 im Zentrum von Viseu de Sus. Die Kinder hier hatten von Anfang an keinerlei Berührungsängste.
Die Frage, wie sichern wir unseren Raum, die „Bühne“, unser Equipment, blieb die ganze Woche ein heisses Thema, welches jeden Tag neu diskutiert werden konnte, da der Plan vom Vortag immer wieder scheiterte.
Das Schulhaus – und ich kann gleich vorweg nehmen: jedes Schulhaus welches wir besucht hatten – ist im selben relativ desolaten Zustand.
Wenn ich schon beim Vorwegnehmen bin, kann ich auch gleich vorausschicken, dass wir während der ganzen Reise das Wetter auf unserer Seite hatten. Wir konnten immer in Höfen oder Gärten spielen. Ausser zweimal zogen wir die Gemeindesäle vor, trotz des Sonnenscheins.
Aber jetzt zurück zur Schule Nr. 1
Wir wurden vom Verwalter empfangen. Ein sympathischer junger Mann.
Nach der Aufführung, die sehr wild war und nach der überraschenden Autogrammstunde die noch wilder war (gut 350 Kinder wollten von jedem eine Unterschrift), gab es ein Treffen mit dem Verwalter und dem Direktor.
Die Art und Weise, wie der Direktor und die Direktorin der Nr. 4 uns gegenüber traten, liess keine Zweifel offen welche Rollen sie während der Chauchescu-Zeit belegten.
Etwas Unfassbares begleitete sie, es war kein Augenkontakt da, alles sehr diplomatisch aber nicht unfreundlich. Zugleich spürte man, wie sehr sie diese Haut abstreifen mochten.
Dies ist eine subjektive Wahrnehmung meinerseits ohne jegliche Wertung.
Wie ich einige Tage später bei einem Gespräch mit Hermanns Freund und Kinderarzt Horea Tamas erfuhr, wird die Chauchescu-Epoche in der Schule nicht behandelt, da viele früheren Securitate-Leute heute einen Chefposten belegen.
Gut achtzehn Jahre danach wird diese Zeit immer noch verdrängt.
In einer Unterhaltung nach der Reise mit Menschen in Deutschland, die den zweiten Weltkrieg selbst erlebt hatten oder die Nachkriegszeit, erzählten diese mir nichts anderes.
Auch hier dauerte es über fünfzehn Jahre, bis man begann die Hitler-Zeit in den Schulen und auch sonst, zu verarbeiten.
Den Kindern war das alles ziemlich egal….

Abends besprachen wir im obligaten Circle den Tag, unsere Eindrücke, die Show und die Planung für den nächsten Tag.

5. Tag

27.05.2008

Um neun Uhr fuhren wir los in die Stadt.
In Viseu führte uns Peter zu einem Gebäude welches auf dem Papier eigentlich gar nicht mehr existiert und früher eines dieser berüchtigten rumänischen Waisenhäuser war. Wir bekamen auch keine Bewilligung für Film-und Fotoaufnahmen.
Heute befindet sich noch ein Büro und ein Arztzimmer darin.
Bei der Besichtigung dieses Ex-Heimes kam in mir ein beklemmendes Gefühl auf. Ich stellte mir die Bilder die man aus dem Fernseher kennt vor und fügte sie in diese Räume ein. Und plötzlich ist die Historie sehr nah.
Es ist wirklich noch nicht so lange her – zumal es nach dem Sturz Chauchescus nicht gleich von heut auf morgen besser wurde. Die Kinder für die wir gespielt haben, hatten diese harten Bedingungen zum Teil noch selbst erlebt.
Heute leben sie in drei Häuser aufgeteilt, zu jeweils zehn bis elf Personen.
Nach der Vorstellung hatten wir noch die Gelegenheit eines dieser Häuser zu besuchen und nochmals mit einigen der Zuschauer in Kontakt zu kommen, zu spielen, zu quatschen, rumalbern, zuhören und einfach hallo sagen.
Es war eine intensive und feine Präsentation an diesem Morgen in diesem Hof. Die Kids sassen auf Holzklötzen und waren voll dabei. Der am stärksten retardierte Junge, tanzte auf dem Platz, leicht wie eine Feder, hatte Freude vom feinsten und stahl uns die Show…. Er war ein Tänzer durch und durch.

Nach dem Mittagessen, doppelten Espresso und einer kurzen Showbesprechung ging es weiter zum nächsten Spielort.
Dieses Waisenheim wurde von einer schweizerischen Hilfsorganisation betrieben.
Ich kam mir vor als wäre ich kurz für drei Stunden im Emmental gelandet. Das Anwesen lag auf einer Anhöhe, freie Aussicht weit über das Tal, bis zu den Karpaten.
Der Bauernhof unterschied sich in keiner Weise von einem Hof in der Schweiz oder im Allgäu.
Die beiden Praktikantinnen die uns in Empfang nahmen, kamen aus Lörrach und aus Luzern.
Den Kindern hier fehlte es an gar nichts. Sie hatten alles, ein eigenes Zimmer, eine top Küche, Aufenthaltsräume, es werden auch immer Austauschprojekte organisiert. Sie haben aber auch alle ihre persönliche Geschichte, weshalb sie hier sind und die sind nicht sehr schön.
Es ist gut zu sehen wie wichtig es ist und wie es sein kann wenn geholfen wird.
Wir bauten unsere „Bühne“ auf und spielten vor etwa zwanzig Kindern und Betreuern.
Einige von ihnen haben uns auch schon gestern in der Schule gesehen.
Wir haben damit Hermann und Peter, den Kindern und Betreuern von Klein-Emmental eine Freude gemacht und hatten selbst viel Spass. Es war auch gut, mal vor weniger Zuschauer zu spielen, dies schonte unsere Kräfte.

Abends wieder Circle. Die Show wird immer besser, runder und flüssiger. Dennoch wird hart daran gefeilt.

6. Tag

28.05.2008

Früh aufstehen, Frühstücken, acht Uhr früh Abfahrt. Für Clowns ist das alles sehr früh.
Peter führt uns ca. zwanzig Kilometer in das Nachbardorf Viseu de Jus.
Unsere Anwesenheit schien sich herumgesprochen zu haben. Als wir am Strassenrand bei der Schule anhielten, winkten uns die Kinder schon freudig durch die gestifteten Fenster zu. Wir wurde mit der Leitung bekannt gemacht, die uns den Schulhof zeigt, aber auch den Vorschlag macht, im Gemeindesaal zu spielen. Wir schauten beides an und entschieden uns für den Saal.
Die staubige Bühne musste gekehrt, die Stühle umgestellt, die Technik aufgebaut werden. Nach einem Streitgespräch, ob mit oder ohne eigenen Vorhang wurde dieser schliesslich auch aufgestellt. Die Zeit wurde immer knapper.
Als die fünfhundert Kinder den Saal langsam füllten waren wir bereit.
Es war eine gute Vorstellung. Die Kids haben toll mitgemacht, voll dabei und aufmerksam.
Bei uns läuft es auch immer besser, so langsam kommt das Spontane mit rein.
Es ist schön zu sehen wie sogar die Erwachsenen leuchtende Augen bekommen, die sich nicht genau vorstellen konnten was wir eigentlich machen.
Sehr schön wie die Anfangsskepsis und die Angst wir könnten ihre Pädagogik in Frage stellen sich langsam verflog, und einem Lachen wich.
Auch hier, Autogramme, Autogramme, Seifenblasen und Autogramme.

Die Mittagspause nutzten wir wie immer für eine Reflexion des Programms und für eine Besprechung der allgemeinen Gefühlslage.
Es geht uns allen ganz gut und an der Show kann man immer was machen.

Nachmittags treffen wir in einem Waisenhaus ganz in der Nähe unserer Basis ein.
Es war vom Ambiente her etwa gleich wie gestern im zweiten Heim. Doch wurde das ganze noch getopt von Schweizerdeutsch sprechenden rumänischen Kinder die noch nie in ihrem Leben in der Schweiz waren.
Die Gründerin dieses Heimes hat den Kleinen Schweizerdeutsch beigebracht. Es kam mir sehr komisch vor. Aber wieso nicht? Die Kids haben uns sofort in Beschlag genommen. Wie während der ganzen Tournee suchten die Kinder unglaublich viel Körperkontakt.
Zuneigung, Geborgenheit und Körperkontakt sei eine grosse Mangelware erklärte uns Peter später.
Wir haben zwar unsere Vorstellung gemacht, die war auch sehr gut und lustig, aber anders.
Unsere Zuschauer haben auf ihre Weise mitgemacht und uns ganz schön herausgefordert.
Schlussendlich ist das allerwichtigste unserer Expedition, dass wir einfach da sind für die Kinder. Die Show ist da nur zweitrangig. Ich denke die Kinder spüren, dass wir ihretwegen aus dem fernen Deutschland gekommen sind und dies wird in ihren Erinnerungen bleiben.
Es war ein sehr berührender Nachmittag

Am Abend die obligatorische Sitzung.
Ich habe das Gefühl, wir sind angekommen hier in Viseu.
Irgendwie denk ich wir bewegen etwas in der Region. Die Stimmung in der Strasse unserer Unterkunft scheint sich zu ändern, leichter zu werden.
Die Leute winken uns, die Kinder wollen gleich spielen, der Nachbar bringt uns Himbeerrouladen, die vorbeigehenden Menschen müssen schmunzeln oder lachen bei unserem „komischen“ Verhalten im Garten.

7. Tag

29.05.2008

An diesem Tagwar ist die erste Vorstellung um elf Uhr in Ruscova geplant. Gegen neun Uhr fuhren wir auf dem Hof des Gemeindesaals ein. Uns wurden die Türen geöffnet, der Strom und die Umkleidemöglichkeit gezeigt. Es gab sogar Kaffee!
Dieses Mal erschien uns der Hof die bessere Option als der Saal zu sein und bauten draussen auf.
Während des Aufbaus trafen plötzlich Scharen von Kinder und Lehrerinnen ein. Es ist erst zehn Uhr, ein Missverständnis. Ohne Diskussion und Schuldzuweisungen zogen die Schulklassen wieder ab und kamen eine Stunde später wieder.
Vom Kindergarten bis zur neunten Klasse waren alle da, gut 300 Menschen.
Es hat gefunkelt und geleuchtet in den Augen der Kinder. Ich hatte das Gefühl, die Kids saugten unsere Darbietung regelrecht in sich herein. Sie sind irgendwie aufmerksamer und dankbarer als viele Kinder bei uns zu Hause. Aber klar, in einem rumänischen Bergdorf kommt es eben seltener vor, dass eine Clownstruppe vorbeikommt. Geneau genommen ist es an diesem Tag das erste Mal.

Nach dem Mittagessen fuhren wir weiter nach Repedea, gut zwanzig Kilometer von Ruscova entfernt.
Da sollten wir in einem Altenheim spielen. Dies lag Hermann und seinem langjährigen Freund und Vertrauensmann Horea Tamas sehr am Herzen. Horea ist der Kinderarzt den ich schon erwähnt habe. Er verwaltet auch die Hilfsgüter, die Hermann mit seinem Lastwagen aus der Schweiz mitbringt.
Was wir da antrafen würde ich persönlich Psychiatrie nennen. Es gab schon ältere Menschen, aber auch viele jüngere die geistig und/oder körperlich behindert sind.
Nun standen wir da mit unserem Bus vor den geschlossenen Toren und dem Wachpersonal. Wir waren auf alles gefasst.
Als wir auf dem Gelände eintrafen, wurde unser Fahrzeug gleich beschlagnahmt von Gestalten, die man vom ersten Moment an in sein Herz schliessen musste
Unser Publikum waren eigentlich die Darsteller.
Wir wurden auf Schritt und Tritt begleitet und beobachtet. Unsere Frauen hatten sofort einen kleinen, zahnlosen vor Freude strahlenden Bodyguard mit Zipfelmütze und Warnweste. Er trug die Koffer und wollte küssen.
Die älteren Damen mit beeindruckend schönen, zerfurchten, gelebten Gesichtern betrachteten unser Tun aus dem Schatten heraus von ihren Bänken.
Und da hab ich ihn gesehen, den Mann mit dem kleinsten Hirn der Welt.
Er muss um die 1,60 M gross sein, doch sein schwerer purpurfarbener Morgenrock machte ihn grösser. Er ist von dunkler Hautfarbe, sein Kopf etwas grösser als vielleicht eine Grapefruit oder kleine Melone. Es war eine Begegnung der dritten Art. Ich dachte, gleich ruft er seine Freunde in einer anderen Galaxie an und lädt sie zur Vorstellung ein. Ich musste aufpassen ihn nicht ewig anzustarren.
Trotzdem beruhigte mich sein Blick unglaublich, wir hatten soeben tiefe Freundschaft geschlossen.
Horea sagt, seit Inbetriebnahme dieses Heimes vor ungefähr siebzig Jahren, sei dieser Mann hier anwesend. Keiner weiss von wo er kommt und wie er heisst. Im Dorf geht die Geschichte um, ein Ufo sei hier gelandet und seine Kollegen haben ihn vergessen mitzunehmen.
Da könnte was dran sein.
Wir haben es geschafft alles was wir brauchen und uns selbst in die Garderobe (Arztzimmer) zu bringen, die Tür zu schliessen und ausatmen.
Die Panik der Clowns, das Publikum sei besser als sie selbst, hing im Raum. Es war toll….
Wir entschieden uns für eine verkürzte Version.
Wolfgang baute das Keyboard und Mikrofon auf und hatte auch schon sofort eine Sängerin dran.
Eine wunderbare Show. Auch danach als wir uns unter die Leute mischten war es sehr bewegend.

Nach diesem wirklich speziellen Auftritt gab es Abendessen bei Horea und seiner Frau Monica. Hermann und Ueli kamen auch vorbei. Wir verabschiedeten uns heute von ihnen, da sie m nächsten Tag weiter fahren wollten um eine weiteres Projekt anzuschauen. Wie sich später herausstellte übernahm Ueli unsere gesamten Unterkunftskosten. An dieser Stelle nochmals herzlichen Dank.
Den Tag liessen wir bei einem guten Eintopf und vielen Gesprächen über die Wirtschaft Rumäniens und allgemein, die Nachhaltigkeit unserer Arbeit, die Chauchescu-Zeit, das Altenheim, die Schulen, die Mentalität, die Medizinische Versorgung und vieles mehr ausklingen.
Zuhause in unserem Lager besprachen wir wie immer den vergangenen Tag und planten den nächsten Tag.
Es wurde gesagt, in Poienile de sub Monte, (eigentlich ein ukrainisches Dorf welches zur Zeit ein rumänisches Dorf ist, da die Landesgrenzen immer hin und her verschoben wurden), erwarten uns 3000 Zuschauer.
Wir nahmen dies zur Kenntnis, stellten uns das vor, hatten Bammel, fragten uns, wie wir das machen sollen, freuten uns und warteten erst mal ab, wieviele Menschen dann in Wirklichkeit kommen würden.

8. Tag

30.05.2008

Auch heute Morgen hiess es wieder früh aufstehen, frühstücken, die zum Trocknen aufgehängten Kostüme einpacken, in den Bus und in Peters Auto einsteigen, losfahren über staubige, löchrige Strassen durch eine wunderschöne Landschaft.
Wieder nach Repedea, an diesem Tag allerdings nicht Psychiatrie, sondern Schule. Besser gesagt der Gemeindesaal.
Darin wurde offenbar eine Hochzeit gefeiert vor ein paar Tagen und seither noch nicht aufgeräumt. wir standen da vor einem ziemlichen Chaos. Kein Problem meinte der Schuldirektor. Kurz darauf wirbelte es auch schon im Zuschauerbereich. Ein paar Mädels wurden von der Schule geschickt und ein paar Herren tauchten von irgendwoher auf.
Es wurde gekehrt, gewischt, Müll weggetragen, Stühle und Tische gestapelt, Bänke aufgereiht.
Wir installierten unsere Sachen auf der grossen Bühne mit rotem Vorhang (die Frage ob wir unseren Vorhang aufbauen sollen stellte sich heute nicht). Halfen den Helfer und in kürzester Zeit war das Theater perfekt.
Ich schätze, 300 Kinder und Begleitpersonen trudelten langsam ein.
Peter sagte uns auf rumänisch an mit einer kurzen Erklärung, was da jetzt kommt.
Ich glaube, Peter bekam immer mehr Spass an diesem Job. Er wusste anfangs auch nicht so recht was, auf ihn zukommt.
Ich möcht sagen, ohne ihn wären wir ziemlich aufgeschmissen gewesen.
Er hat gedolmetscht, organisiert, unsere Sachen bewacht, erklärt, informiert und für unser Wohl gesorgt. Danke!
Auch dieses Mal war die Vorstellung ein schöner Erfolg. Auch dieses Mal wurden wir überrannt von Autogrammjäger. Wir hätten gerne mehr mit den Kinder im direkten Kontakt gespielt, doch war es fast unmöglich. Wir hatten aber immer mehr Tricks auf Lager, wie wir diese Autogrammhektik beruhigen konnten. Es gibt kein Allgemeinrezept für nach der Show. Bei jeder Besprechung entwickelten wir eine neue Taktik. Und nach jeder Vorstellung standen wir wieder vor einer neuen Situation mit der wir nicht gerechnet hatten. Wichtig ist nur dass wir unser Material so schnell wie möglich wegräumen, um es vor zu grosser Neugier und Freude zu schützen. Aber sonst erhält uns das jung.
Nach der von Peters Schwiegermutter hergerichteten Brotzeit ging´s los Richtung Poienile de sub Monte zu unseren dreitausend Zuschauer.
Der Präsident der Gemeinde führte uns zu Schulplatz. Ein grosser sandiger Platz. Kein Schatten weit und breit, es war brütend heiss.
Wir stellten unsere Bühne vor einem kleinen zerbröckelnden Häuschen auf.
Es war die Werkstatt vom Hausmeister, welche auch für den Werkunterricht genützt wird.
Ein Fussballtor-Rahmen diente als Vorhangaufhängung.
Einige Kinder halfen unsere „Arena“ mittels grossen Steinen und Holzbalken zu markieren. Die Steine und Balken waren gleichzeitig die Logenplätze in den ersten paar Reihen.
Das Schulhaus war eingerüstet, zwei Handwerker brachten neuen Verputz an. Auch hier wieder die neuen Fenster mit Schutzfolie.
Der beissende Geruch nach Fäkalien zerschlug uns den Atem beim Eintreten des Gebäudes. Man konnte kaum Atmen, es war unglaublich. Ich frage mich wie sich die Kinder in den Klassenzimmer direkt neben den Toiletten überhaupt konzentrieren können.
In Rumänien wurde und wird sehr viel getan und es muss immer noch sehr viel getan werden.
Aber zurück zu unserer Vorstellung.
Wir wurden leider zu spät und als Puppentheater (man kennt da nichts anderes) angekündigt. So kamen anstatt 3000 Leute immerhin knapp 500 Kids und Erwachsene.
Vor und nach dem Spektakel, die gewohnten stürmischen, herzlichen Begegnungen. Autogramme, Seifenblasen, Keyboard spielen etc.
Auch wenn unsere Reise sich dem Ende neigt, besprechen wir wie jeden Abend unsere Show und die Eindrücke des Tages.
Der kommende Samstag war noch offen in unserem Spielplan. Wir würden evtl. auf einem Dorfplatz spielen können, Peter kennt den dortigen Bürgermeister.
Allerdings waren am Wochenende Wahlen im Gange und wir wollen nicht Teil einer Wahlkampagne sein.
Nach einer langen Diskussion entschieden wir uns für einen gemütlicheren Tag morgen mit etwas Training, Interviews und Erholung.

9. Tag

31.05.2008

Ausschlafen, gemütlich Frühstücken den Tag langsam angehen. Die Sonne scheint wie immer.
So langsam waren wir bereit für ein Training im Garten. Eigentlich eher auf dem frisch von Hand gemähten Feld.
Hier ist alles noch harte Handarbeit. Manchmal sieht man irgendwo einen alten verrosteten kleinen Mähdrescher oder Traktor. Auf den Äcker arbeiten die Menschen mit ihren Hacken, Rechen und Sensen. Die Holzfäller kommen mit ihren Pferden und Kutschen vollbeladen mit Baumstämmen aus dem Bergwald zurück. Oft fahren sie auch bei Dunkelheit, ohne Licht oder sonstige Sicherheitsvorkehrungen. Nicht verwunderlich, dass in die meisten Verkehrsunfälle
diese Holztransporte verwickelt sind. Und trotzdem sieht man die meisten Pferdekutscher mit einem Handy auf ihren einfachen Gefährten.
Das Handy ist sehr verbreitet, da es viel billiger und das Netz viel besser ist als beim Festanschluss.
Moderne Armut….
Während unseres Trainings, bei dem wir viele Improvisationen machten, blieben einige Leute am Gartenzaun stehen und schauten uns schmunzelnd zu. Eine spontane Aufführung quasi. Von aussen betrachtet muss das schon einen seltsamen Eindruck gemacht haben was wir da taten. Komische Bewegungen, gackern, eigenartige Geräusche, viel lachen….
Nachmittags sassen wir zusammen, sprachen über unsere Eindrücke und Erfahrungen von dieser Reise und nahmen alles auf Video auf.
Wir besprachen das Vorgehen am morgigen Tag.
Es wurde uns erlaubt im Krankenhaus zu spielen. Die meisten von uns sind zuhause auch Klinikclowns, wir sind sehr gespannt.
Zum Abendessen revanchierten wir uns mit einem Essen. Wir kochten für unsere Gastgeberfamilie Pfannkuchen mit verschiedenen Füllungen.
Der Oma war es nicht so recht und es war auch eine neue Erfahrung für sie, bedient zu werden.

10. Tag

01.06.2008

Wir treffen im Krankenhaus in Viseu de sus ein.
Werden zwar herzlich empfangen, aber niemand weiss so richtig Bescheid. Der Direktor ist nicht da.
Eine rumänische Qualität ist das Unkomplizierte und die Spontanität. „Ihr habt mit dem Chef gesprochen? Er hat ja gesagt? Was wollt ihr genau? Aha! Gut was braucht ihr? Garderobe? ja da drüben! Wollt ihr Tee?
Und auf geht´s!
Das Krankenhaus kommt natürlich nicht an den westlichen Standard ran. Alles ist viel einfacher, älter, improvisierter. Aber nicht unhygienisch, oder erschreckend oder so was. Sie machen das Beste aus dem was sie haben.
Die Kinderstationen sind sehr freundlich eingerichtet. Zwei bis drei Betten in einem Zimmer, wie bei uns. Und trotzdem irgendwie anders.
Wie die Inder sagen : „same same but different“
Die Begeisterung und Freude war sehr gross bei den Kinder, wie bei den Erwachsenen, beim Personal und bei uns.
Nach unserem Besuch schlenderten wir durch die Stadt und gingen etwas essen. Danach machte jeder was er wollte.
Nachmitags verbrachten wir im Garten mit Tabeja und David, den beiden Gastgeber Marcella und Peter und der Oma.
Oma hat die ganze Chauchescu-Zeit, die Zeit davor und danach miterlebt. Sie findet es heute nicht nur toll. Die ganze Freiheit, die leichte Kleidung der Frauen, der Kommerz und die Korruption ist nicht nach ihrem Geschmack. Ich habe grossen Respekt vor ihrer Geschichte. Die war ziemlich heftig. Sie wurde von ihren Eltern freigegeben, von ihren Geschwister getrennt, hat diese nie mehr gesehen, wurde adoptiert und ausgenutzt. Und wahrscheinlich passierte da noch vielmehr was sie uns nicht sagen wollte. Aber ich finde, sie hatte am Ende der Woche einen freundlicheren Gesichtsausdruck gehabt , als noch bei unserer Ankunft. Und manchmal lächelte sie sogar.
Es trafen noch Freunde der Familie ein. Wir verbrachten einen gemütlichen Nachmittag auf der Wiese mit Akrobatik, Jonglieren, Ballspiele, Impros, rumalbern, Musik und Spass. Abends Wurde gegrillt und schon ein bisschen Abschied genommen. Aber noch steht der Montag an.

11. Tag

02.06.2008

Als Peter uns den Spielplan vorgestellt hat am Anfang der Woche, war dieser Montag noch offen. Es dauerte allerdings nicht lange bis uns die Kindergärten angefragt hatten. Unsere Anwesenheit ging um wie ein Lauffeuer. So spielten wir unsere letzte Vorstellung dieser Reise im Garten eines Kindergarten. Alle Einrichtungen aus Viseu de Sus sammelten sich da. Ungefähr 150 Kinder und Pädagoginnen.
Wie in den verschiedenen Schulen, auch hier Kinder aus allen Schichten. Wir machen keine Unterschiede über Alter, Herkunft, Religion, Rasse noch sonst einer Kategorisierung. Einer unserer Leitsätze.
Doch irgendwie werd ich das Gefühl nicht los, dass die älteren Betreuerinnen stets irgendwas kontrollieren und besonders viel Wert auf die Fassade legen. Es kam oft vor, auch heute, dass den Kindern gesagt, fast befohlen wurde, wann sie zu klatschen haben. Das ist nur eine wertfreie Beobachtung meinerseits. Ebenso wie die Beobachtung dass die Kinder eh klatschen und lachen wann sie wollen und ihre Beiträge während des Stücks lautstark bekannt geben und nebenbei halt auch noch auf Kommando klatschen. Und alle sind glücklich dabei.
Wir konnten kaum das Finale richtig anfangen, schon stürmten die kleinen Menschen unseren Bühnenbereich und haben mitgemacht.
Die Chef-Kindergärtnerin verteilte noch ein paar übrig gebliebene Luftballone der Linken Partei. Da stand auf deutsch „Die Linke“ drauf. Auch diese Ballone flogen durch die Luft und den Kids war es egal was darauf gedruckt war, hauptsache man konnte spielen damit.
Die Erzieherinnen waren sehr begeistert von unserem Tun. Wir unterhielten uns noch lange vor unserem treuen Bus.
Sie wünschten sich ein Wiedersehen, wir boten Workshops für BetreuerInnen, LehrerInnen und Interessierte an, damit sie mit den Kinder die Clownsarbeit weiter führen können.
Wir streben in der Region von Viseu de Sus und Ruscova, sowie in Arad und Lipova (die Stationen der letzten Reise 2007) ein Langzeitprojekt an.
Nachmittags stand unser Abschlusskreis an. Wir blickten auf die letzte Woche zurück und selbst am letzten Tag besprachen wir den heutigen Auftritt.
Dann packen, putzen, aufräumen, Bus reisefertig machen usw. Morgen sollten nur noch Zahnbürstchen und Schlafsack eingeladen werden, da die Abfahrt auf 06:00 Uhr festgelegt wurde. Für Clowns ist das mitten in der Nacht.
Zum Abendessen haben wir mit den Resten von gestern gerechnet, doch es kam anders. Marcella und Peter luden uns auf eine Pizza ein.
Ich möcht diesen beiden Menschen, den beiden Kinder und der Oma danken für diese herzlich Gastfreundschaft.
Es war beeindruckend mit welch einer Lebensfreude, Gottvertrauen, Offenheit, Hilfsbereitschaft und Herzlichkeit unsere Gastgeberfamilie mit uns diese Woche teilte.
Vielen lieben Dank.

12. Tag, letzter Tag

03.06.2008

Sehr pünktlich stand unser Transporter mit laufendem Motor vor dem Tor.
David und Tabeja wollten unbedingt geweckt werden. Grosse Verabschiedung, Winken und langsam verschwand das Häuschen. Vor uns warteten 1´400 Km.
Es war zwar eine Übernachtung eingeplant, aber wir anulierten die Zimmer und fuhren in einem durch.
Die fahrt verlief problemlos und kurzweilig.
Um ca. ein Uhr Nachts waren die letzten Menschen unserer Clownsgruppe zu Hause angekommen.

Gepostet am

21.03.2020