Unsere Reise führt uns nach Jordanien und Israel. Begleitet uns dabei!
Itinerary Date :01.11.2014Schalom! Salām! Israel, Jordanien, wir kommen!
16.10.2014
Eine Stunde voll von Clownerie, Musik, Akrobatik, Pantomime, Slapstick, Jonglage, Illusion, Humor und Poesie wird uns nach Israel und Jordanien begleiten, um dort Lachen und Freude zu bringen. Neben Auftritten in Flüchtlingseinrichtungen in Tel Aviv und Jerusalem werden wir in Jordanien vor allem in Schulen und Kindergärten spielen. Morgen, am 17. Oktober, geht’s los. Wir sind sehr gespannt und freuen uns auf unsere Reise. Auf diesem Blog könnt ihr uns begleiten – bis zum 31. Oktober werden wir regelmäßig Fotos posten und von unseren Erfahrungen berichten.
Anreisetag: Crossing Jordan River
19.10.2014
Als die letzten von uns um Mitternacht in Tel Aviv eintreffen, ist ein Teil der Gruppe bereits seit gut einer Woche hier. Die Clowns waren vorher auf einem internationalen Zirkusfestival in Modiin eingeladen. Anschließend besuchten sie eine Zirkusschule in Ramallah und gaben einen Workshop für die palästinensischen Schüler und Lehrer dort. Sie erfuhren eine große Herzlichkeit, wurden zum Essen und Übernachten eingeladen und waren beeindruckt von der schönen entspannten Stimmung, trotz all der Schwierigkeiten.
Am Samstag überqueren wir den nördlichen Grenzübergang nach Jordanien, wo uns zwei Fahrer unserer Gastgeberorganisation „Vision Hope“ erwarten. Nur 40 km von der syrischen Grenze ist von dem benachbarten Krieg nichts zu spüren. Auf der Fahrt durch die nächtlichen Dörfer bietet sich ein anderes Bild als in Israel: ärmliche Gebäude, Geröllhaufen zwischen den Häusern, viele Menschen auf den Straßen und staubige, löchrige Landstraßen. Lange Zeit fahren wir am toten Meer entlang und bedauern die Dunkelheit, die uns einen herrlichen Ausblick verwehrt.
Als wir in der Kleinstadt Karak ankommen, empfangen uns die herzlichen Mitarbeiter von Vision Hope. Der hiesige Chef der Organisation ist Dirk, oder auch „Abujohannes“ (sobald ein Mann Kinder hat, wird er nach seinem ältesten Sohn benannt), ein Deutscher, der schon seit zwölf Jahren mit seiner Familie in Jordanien lebt.
1. Tag: Premiere!
20.10.2014
Vormittags besuchen wir den Kindergarten von Vision Hope, in dem wir später auch noch spielen werden. Die Einrichtung gibt es erst seit Mai dieses Jahres. Hier sind Kinder und Erzieher zur Hälfte Jordanier und zur anderen Hälfte syrische Flüchtlinge. Viele Kinder sind traumatisiert. Sie mussten schlimme Dinge sehen und erleben, wurden oftmals Zeuge von Folter und Mord. Vision Hope versucht ihnen zu helfen, ihre Traumata zu verarbeiten. Momentan sind über 10% der in Jordanien lebenden Menschen Flüchtlinge, hauptsächlich aus Syrien. Um die Integration zu verbessern, gehen die syrischen Kinder gemeinsam mit den jordanischen Kindern zur Schule.
Unseren ersten Auftritt haben wir in einer öffentlichen Schule, in einem Saal vor ca. 150 Kindern. Im Vorfeld erklärt uns die Schulleiterin, was erlaubt und was eher unpassend ist. Wir sollten keine sexuellen oder religiösen Witze machen, das sei Tabu. Als Laia und Florian bei einem Tanz Körperkontakt haben, ist das wohl schon grenzwertig und einige Lehrerinnen verlassen den Raum. Doch die Kinder sind begeistert, machen super mit und sind irgendwann kaum mehr zu bändigen – spätestens als bei einer Nummer Federn durch die Luft fliegen, nach welchen sie aufgeregt greifen.
Wir fahren direkt weiter zu einem Zentrum für Flüchtlingskinder. Der kleine Raum ist schon voll als wir ankommen und es kommen immer mehr Kinder aus der Nachbarschaft dazu, die von unserem Auftritt Wind bekommen. Letztendlich sind über 200 Kinder und Mütter im Publikum. Sie lieben die Show und es entsteht eine Stimmung wie in einem ausverkauften Popkonzert. Uns werden kleine Kinder auf den Arm gereicht und alle wollen Fotos mit uns…
2. Tag: Starke Eindrücke
21.10.2014
Heute haben wir eine syrische Flüchtlingsfamilie besucht. Sie ist vor 1 ½ Jahren aus Homs geflohen, eine der Hochburgen des Widerstands gegen Assad. Erst waren die beiden Eltern mit ihren 3 Kindern in einem Flüchtlingslager untergebracht, später sind sie weiter nach Karak gezogen. Es wird uns Tee serviert, der Großvater, der immer noch in dem Lager wohnt, ist zu Besuch. Den Kindern merken wir nicht an, was sie durchgemacht haben, sie sind fröhlich und klug und scherzen mit uns. Dem Vater dagegen ist deutlich anzusehen, was er erlebt hat. Er berichtet uns vom Bombardement ihres Hauses, von toten und verletzten Verwandten und von seiner eigenen Folter. Auf seinem Handy zeigt er uns das Video seines sterbenden Bruders.
Wie stark das Israelbild der Kinder hier in den Schulen mitunter gesteuert wird, wird deutlich, als uns der ältere Sohn der Familie ein Englischexamen zeigt. Eine Frage lautet: „Do you like Israel?“ und darunter steht die „korrekte“ Antwort „No, I don’t“.
Tagsüber spielen wir wieder in einer Schule und in einem Flüchtlingszentrum. Wir haben einige Elemente unseres Programms umgestellt und sind mittlerweile gut eingespielt. Auffällig sind die Unterschiede an verschiedenen Spielorten. Nachmittags sind die Kinder viel ruhiger und aufmerksamer als bei den Auftritten zuvor. Bei den poetischen Szenen lassen wir uns also mehr Zeit. Auch werden musikalische Feinheiten von den Kindern hier viel detaillierter auf- und übernommen, so unser Eindruck.
5. Tag: Jordanisch-syrische Integration
24.10.2014
Trotz einer schwierigen, von Magenverstimmungen geprägten Nacht, spielen wir vormittags einen sehr schönen, ruhigen Auftritt an einer Schule. Wir sind in einer Region, in der zwei Sippen leben, die ursprünglich aus Saudi-Arabien kommen. Die Menschen hier sind ziemlich konservativ und uns wird geraten, die Szene, in der Pflotsch seine Hose verliert (normalerweise immer ein garantierter Lacher unter den Kindern) wegzulassen. Die Stimmung ist sehr herzlich und schön und unser Programm klappt super – vielleicht unser bester Auftritt bisher.
Die Schulen, in denen wir spielen, sind meist gemischt – wir treten vor jordanischen und syrischen Kindern gemeinsam auf. Das ist wichtig, denn die Jordanier fühlen sich wohl oft etwas ungerecht behandelt. Für die Flüchtlinge wird viel getan und die Jordanier gehen dagegen meist leer aus, obwohl sie auch oft sehr arm sind und viele Probleme haben. Nachmittags spielen wir im Vision Hope Kindergarten. Er wird zur Hälfte von jordanischen und zur Hälfte von syrischen Kindern besucht und auch die Erzieherinnen kommen zur Hälfte aus Syrien. Auf ein ausgewogenes Verhältnis legt Dirk von Vision Hope besonders großen Wert.
Der Platz vor dem Eingang des Gebäudes dient uns als Bühne, die Kinder stehen und sitzen in einem großen Halbkreis um uns herum. Das Publikum ist sehr gemischt. Auch die Kinder der Flüchtlingsfamilie sind da, die wir vor ein paar Tagen besucht hatten. Bei der ausgiebigen Fotosession im Anschluss an die Vorstellung nimmt die Tochter der syrischen Familie Antonia an der Hand und lässt sie nicht mehr los. Überhaupt stellen wir fest, dass sich die Mädchen im Publikum häufig stark mit Laia und Antonia, den Frauen unserer Gruppe, identifizieren.
Morgen steht unser großer Auftritt in der Stadthalle von Karak bevor.
6. Tag: Auf großer Bühne
25.10.2014
Heute spielen wir in der Stadthalle von Karak. Sie ist mit gut 600 Sitzplätzen der mit Abstand größte Spielort unserer Tour. Entsprechend aufgeregt sind wir im Vorfeld und freuen uns, eine so große Show spielen zu können. Die Ränge sind dann zwar nicht ganz gefüllt, doch den anwesenden Kindern gefällt es sehr gut. Auch der Bürgermeister von Karak ist gekommen.
Die Verstärkung unserer Instrumente über die große Saalanlage funktioniert nur bedingt, doch die Parts mit zweistimmigem Gesang klingen hier sehr schön. Der Humor kommt vor allem bei den Kindern sehr gut an. Die Erwachsenen, so wird uns erzählt, seien hier meist sehr ernst und würdevoll. So etwas wie ein Clown sei in ihren Augen etwas für Kinder, sei gewisserweise unter ihrer Würde. Traditionelle Musik und Folklore stünden dagegen hoch im Kurs.
Den Abend verbringen wir wieder bei einer syrischen Flüchtlingsfamilie die uns zum Essen eingeladen hat. Die Mutter der fünf Kinder arbeitet im Vision Hope Kindergarten. Sie und ihre zwei ältesten Töchter füllen den gesamten Fußboden des Wohnzimmers mit kulinarischen Köstlichkeiten aus Syrien. Auch die Familie von Dirk von Vision Hope kommt zu Besuch und das Haus ist voll von aufgeregten Kinderstimmen. Mohammed, der kleine Sohn der Familie, nennt uns „Habibi“ (mein lieber Freund), umarmt uns und singt uns die arabische Version von „Bruder Jakob“ ins Ohr. Die Herzlichkeit und Gastfreundschaft in dieser Familie ist wirklich berührend.
Nach dem Essen sitzen wir mit dem Vater im Nebenzimmer. Mit glänzenden Augen erzählt er uns, dass es früher auch in Syrien Zirkus gab. Die europäischen Zirkusgruppen blieben für 3 Monate, schlugen große Zelte für bis zu 1500 Zuschauer auf, und man musste am Tag vorher Karten kaufen um einen Platz zu bekommen. Es gab Zauberer und Artisten und Tiere und Clowns. Jetzt gäbe es das alles nicht mehr, sagt er, jetzt würde in Syrien nur noch geschossen. Die Familie ist vor zwei Jahren aus Damaskus geflohen, als die Regierungstruppen anfingen, in ihrem Wohnviertel Bomben zu abzuwerfen. Der Mann zeigt uns Fotos von einem Geröllhaufen, der früher mal ihr Haus gewesen war. Mit einer baldigen Rückkehr nach Syrien rechnet hier gerade niemand mehr. Die Situation in Jordanien ist aber auch nicht einfach für die syrischen Flüchtlinge. Der Vater arbeitet hier als Automechaniker. Nachdem er letzte Woche mehrere Tage lang das Auto eines Jordaniers repariert hatte, verweigerte dieser ihm die Bezahlung, eine Gruppe bedrohte ihn mit einem Messer und jagte ihn fort. Die Familie würde gerne nach Deutschland kommen, erzählt uns Abu Johannes. Deutschland hat hier einen sehr guten Ruf (vor allem wahrscheinlich unter Automechanikern :-)).
9. Tag: Maasalama Kerak!
28.10.2014
Den letzten Auftritt in Jordanien spielen wir in einer christichen Gemeinde in Kerak. Sie befindet sich in einem verschachtelten weißen Steingebäude und beheimatet auch die Organisation „Branches of Mercy“, die uns bei unserem Aufenthalt hier mit betreut hat. Es gibt einen weitläufigen Innenhof, in dem aus Teppichen eine Bühne entstanden ist und rote Plastikstühle aufgestellt wurden.
Heute ist Feiertag, das muslimische Neujahr. Es sind viele Familien mit Kindern gekommen. Überhaupt ist es auffällig, wie viele Kinder es hier in Jordanien gibt: Es ist ganz normal, fünf oder mehr Kinder zu haben. Wir spielen eine wunderschöne Freiluftvorstellung. Die Menschen begegnen uns sehr freundlich, es herrscht eine fröhlich-friedliche Feiertagsstimmung.
Anschließend überreicht uns der Pastor kleine Präsente und wir werden zu Kaffee und Gebäck eingeladen. Im Fernsehen spielt FC Barcelona gegen Real Madrid, das bleibt auch hier nicht unbeachtet.
Am nächsten Morgen wollen wir früh reisen: Nach einer intensiven Woche verlassen wir Jordanien in Richtung Jerusalem. Vielen Dank an Dirk Kleinloh von Vision Hope und seine ganze Familie, an Abu Sarah, Hassan und Samir, an Branches of Mercy und an alle anderen, die uns unterstützt und so herzlich empfangen haben. Shukran!
10. Tag: Reise nach Jerusalem
29.10.2014
Wir überqueren die Grenze nach Israel über die Alembybrücke, nördlich des Toten Meeres. Die Sicherheitsmaßnahmen hier erinnern an einen Flughafen. Von der Grenze aus ist es nicht mehr weit nach Jerusalem, unserem heutigen Auftrittsort. Hier spielen wir für das Jerusalem African Community Center (JACC), eine relativ junge NGO, die sich um afrikanische Flüchtlinge kümmert.
Das Publikum ist bunt gemischt, neben afrikanischen Flüchtlingskindern und ihren Müttern sind auch israelische Familien gekommen. Der Raum ist dicht besetzt. Die Menschen reagieren anders als in Jordanien. Vielleicht liegt es daran, dass sie so etwas wie unsere Show hier eher gewöhnt sind, sicherlich aber auch an den anderen hier vertretenen Kulturen. Die Menschen sind begeistert und sehr dankbar.
Nach der Show essen wir gemeinsam mit unseren Gastgebern von JACC und einem eritreischen Flüchtling. Nachdem der bereits drei Jahre lang in Jerusalem gelebt hatte, ist er nun, gemäß eines neuen Gesetzes, in einem riesigen Lager in der Wüste, in der Nähe der ägyptischen Grenze untergebracht.
Sehr viele Menschen fliehen aus Eritrea und den Sudan über Ägypten nach Israel. Die Reise ist für die Flüchtlinge sehr gefährlich, da es im ägyptischen Sinai häufig zu Entführungen durch Beduinenklans kommt. Die Flüchtlinge werden gefoltert und sind sexuellen Übergriffen ausgesetzt, bis ihre Familien zu Hause ein hohes Lösegeld aufbringen können. In Israel leben viele Menschen, die durch diese Hölle gegangen sind.
Als wir am Abend auf dem Dach unseres Hostels im arabischen Viertel sitzen, hören wir entfernte Schüsse aus der Nachbarschaft. Oder ist es ein Feuerwerk? Doch wir sehen keines. In den deutschen Medien lesen wir später von Zusammenstößen zwischen palästinensischen Jugendlichen und dem Militär. Schwer bewaffnete Soldaten sind aus dem Straßenbild Jerusalems kaum wegzudenken. Als wir am nächsten Morgen den Besitzer des Cafés, in dem wir frühstücken, fragen, was gestern Abend los war, antwortet er: „Just the kids, playing with the soldiers down there“.
Letzter Tag: Gelungener Abschluss auf dem Basketballfeld
01.11.2014
Von Jerusalem aus fahren wir mit dem Bus nach Tel Aviv. Unseren letzten Auftritt spielen wir für die israelische Orgaisation Assaf, die sich hier um die Flüchtlinge kümmert. Sie arbeitet mit den israelischen Pfadfindern zusammen, von denen uns zwei am Busbahnhof abholen. Wir befinden uns in einem armen Viertel von Tel Aviv, in dem sich viele Flüchtlinge niedergelassen haben, da die Mieten hier sehr billig sind.
In einer Art Jugendzentrum versammeln sich Kinder und Jugendliche auf dem Basketballplatz für unseren Auftritt. Es sind mindestens 300 Zuschauer gekommen und während der Show eilen noch mehr herbei, die von ihren Freunden angerufen werden. Diesmal sind auch ältere Jugendliche dabei und erst haben wir Bedenken, ob es ihnen gefallen wird, doch die Bedenken sind unbegründet.
Während der Show geht die Sonne unter und wir spielen im Scheinwerferlicht – eine besondere Atmosphäre. Auch der Mond beginnt zu scheinen. Es ist ein toller letzter Auftritt und die größtenteils afrikanischen Kinder sind begeistert. Im Anschluss spielen wir noch mit ihnen und gehen dann mit einer Mitarbeiterin von Assaf und einigen jugendlichen Zuschauern zum Essen. Es ist ein netter Abend und im Anschluss erzählt uns die junge Frau von der NGO, wie wichtig es für die Jugendlichen war, dass wir für sie gespielt haben und ihnen auf Augenhöhe begegnet sind. Uns wird erzählt, dass die afrikanischen Flüchtlinge hier häufig mit Ablehnung und Anfeindungen konfrontiert sind.
So nimmt unsere Tour einen glücklichen Abschluss. Wir danken den Organisationen Vision Hope, Branches of Mercy, Jerusalem African Community Center und Assaf mit all ihren engagierten Mitarbeitern für die Einladung und ihre tolle Arbeit vor Ort. Wir bedanken uns außerdem bei den Menschen für die große Herzlichkeit, die uns auf der gesamten Reise entgegengebracht wurde.