Zum ersten Mal geht’s nach Moldawien: Der volkswirtschaftlich größte Schaden wird diesem Land durch die Massenauswanderung zugefügt. Geschätzte 45% der arbeitsfähigen Bevölkerung befinden sich im Ausland. Eltern verlassen ihre Kinder, um dorthin zu gehen, wo sie Arbeit finden. Die Kinder leben einfach alleine weiter. Sie versorgen sich größtenteils selbst, gehen angeln, backen Brot oder machen Käse. Insgesamt sollen 120.000 alleingelassene Kinder in Moldawien leben, noch mehr leben elternlos als sogenannte „Sozialweisen“ in Heimen oder auf der Straße.
Itinerary Date :09.10.2024Los geht's!
03.10.2024
Wir wünschen unsere Clowns Melanie Schlich, Thomas Schug und Alex Strauß eine gute Reise. Begleitet sie hier, auf Facebook oder hier in unserem Blog!
Die ersten Tage...
04.10.2024
Wir sind zurück auf Reisen, in bewährter Konstellation. Melanie alias Babetschka (Schmetterlingchen), Thomas alias Pāpādie (Löwenzahn) und Alex alias Kokosch (Hahn). Diesmal führt unser Weg nach Moldawien, begleitet von unserer Logistikerin Anna Stallmach, die uns auch riesig mit den Übersetzungen hilft und uns viel über das Land und die Kultur erzählt.
Die Vorzeichen waren turbulent: Unser Flug wurde mehrfach verschoben, aber nun kamen alle pünktlich an.
Üblicherweise ist der erste Tag dem Ankommen und Orientieren gewidmet, diesmal stürzen wir uns prompt ins Abenteuer: Es ist internationaler Tag der älteren Menschen – was könnte schöner passen, um die Tour zu starten? Dieser Ehren-Tag wurde bereits in den 1990er Jahren eingeführt, um den Beitrag der älteren Menschen zu würdigen und die Herausforderung der stetig wachsenden Lebenserwartung in den Mittelpunkt zu rücken.
Unser Ziel: ein Seniorenheim, in dem auch Menschen mit verschiedenen Behinderungen leben. Im Gepäck bringt Anna Blumen für die Damen mit. Wir werden sehr herzlich empfangen und sind beeindruckt von einem tollen Programm, das das Heim zusammengestellt hat. Morgens trat bereits ein Kinderchor auf und vor uns gehört die Bühne einem Sänger. Kurz hatten wir Bedenken, ob die Bewohner überhaupt noch genug Aufmerksamkeit für unsere Vorstellung haben würden – aber unsere Sorgen waren unbegründet. Strahlende Augen und aufmerksame Gesichter schauten uns erwartungsvoll entgegen. Nach der Vorstellung sprechen wir mit einer ehemaligen Lehrerin, die früher die Philharmonie leitete. Sie legt uns nahe, in unserer Show doch unbedingt noch mehr zu stolpern – das wäre das einzige, was noch fehlt. Und sie erzählt uns von all den beeindruckenden Menschen im Heim , die in jungen Jahren großartige Dinge in Moskau, der Ukraine und an vielen anderen Orten der Welt vollbrachten und nun hier leben. Ihre Geschichten sind faszinierend und wir hätten gerne noch viele mehr gehört. Und viel zu selten bietet sich auch den hier Lebenden die Gelegenheit diese Geschichten zu erzählen. Leider haben auch wir nicht für jede Geschichte Zeit.
Mit vielen sehr wertschätzenden Worten für uns im Gepäck bereiten wir uns nun auf unsere nächsten Auftritte vor. „Kommt wieder“, sagten sie. „Die Vorstellung war viel zu kurz, aber auch in der kurzen Zeit habt ihr viel Lachen hinterlassen.“ „Sie waren exklusiv.“ „Vielen Dank für diese Vorstellung.“ „Ihr seid so schön anzusehen.“
Türen und Tore geöffnet
06.10.2024
Heute führt unser Weg in ein nahegelegenes Stadtviertel, in dem sehr viele aus der Ukraine Geflohene eine neue Heimat gefunden haben. Durch die Nähe bedingt, es sind grade mal 50km zur ukrainischen Grenze, wollen die meisten auch hierbleiben. Eine kleine Gruppe Kinder erwartet uns bereits ganz aufgeregt in einem Häuschen, das einerseits Kindertagesstätte ist, jedoch auch wie ein kleines Kulturzentrum wirkt. Im Einzugsbereich leben etwa 1500 Menschen, die dem Haus in verschiedenen Aktivitäten verbunden sind; davon etwa zwei Drittel aus der Ukraine.
Insgesamt hat Moldawien bei 2,5 Millionen Einwohnern gut 120.000 ukrainische Flüchtlinge offiziell registriert aufgenommen (Stand Sept 2024), jedoch fluktuiert die Zahl seit Beginn des Konflikts ständig – 9 von 10 Geflüchteten ziehen weiter in die EU, kehren zurück oder pendeln in ihre Heimat. Mit einer Fläche von nur 33.846 km2 ist Moldawien ein kleines Land und die Zahl der Flüchtlingsunterkünfte ist begrenzt. Vor Ort erfahren wir, das viele Moldawier ihre Tore und Türen privat geöffnet haben, um den Menschen in dieser schwierigen Zeit zu helfen. Jedoch haben sich auch viele sehr wohlhabende Ukrainer in den letzten Jahren in Moldawien angesiedelt, so dass die Kosten für Lebenshaltung, Wohnraum und weitere Ausgaben in der letzten Zeit rasant steigen.
Gut, dass all das für die Kinder noch nicht mit Sorgen verbunden ist; sie sind einfach hier, mit uns, und hüpfen schon vor der Show um uns herum. Auch wenn wir heute wohl eine der kleinsten Shows unserer Vereinsgeschichte spielen, kann die glitzernde und vergnügte Freude der Kinder locker mit den Shows mithalten, in denen das Publikum groß und zahlreich ist. Ihre strahlenden Augen erinnern uns daran, wie wertvoll Momente der Freude und des Zusammenseins immer wieder von Neuem sind.
Cesara, die Leiterin bittet uns zum Abschied mehrfach, unbedingt im Lauf der Tage nochmal für eine Show vorbeizukommen, damit auch die etwa 100 Kinder, die gerade in der Schule sind, zuschauen können.
Die zweite Show, die wir heute im Norden des Landes spielen wollen, wird wegen Covid kurzfristig abgesagt. Nachdem die ganze Reise im April 2020 schon wegen der Pandemie verschoben werden musste, hat das dann irgendwie doch was sehr Absurdes.
Europäische Großstadt auf Moldawisch
09.10.2024
Wir machen uns auf die Wege in andere Stadtviertel von Chisinau, das mit seinen Bauwerken aus allen Epochen, großzügigen Parks und breit angelegten Boulevards im Zentrum durchaus ein immer wieder ähnliches Flair hat wie Yerevan, Tiflis oder Riga, aber eben auf Moldawisch. Ähnlich auch, wie in jeder Großstadt der Welt, die zahlreichen Staus. Wir besuchen eine Tagesstätte, in der Kinder mit verschiedenen Beeinträchtigungen betreut werden. Die Kinder und deren Eltern haben beim Anblick der Clowns und vor allem der Musik einen Riesenspaß; die Show bauen wir etwas um und nutzen zuletzt auch das Schwungtuch der Einrichtung, um die aufgeladene Energie auch für die Kinder gut zu kanalisieren.
Spannend zu hören, wie sehr sich diese Einrichtungen heute von früheren Kinderheimen unterscheiden, die es vor allem in Rumänien zahlreich gab, jedoch in der Sowjetzeit Moldawiens nur vereinzelt. Trotz aller geografischen Nähe ist die Mentalität in den Ländern doch sehr unterschiedlich. Die hiesigen staatlichen Häuser wurden geschlossen. Heute kümmern sich fast immer private Träger um die Einrichtungen, organisieren auch verschiedene therapeutische Angebote und sind wesentlich auf Spenden von Organisationen angewiesen, da der Staat nur teilweise fördert.
Dieser Umstand begegnet uns im Lauf der Tage in verschiedenen Kontexten, exemplarisch beim Licurici Puppentheater Chisinaus, mit dem wir drei Tage lang zusammenarbeiten dürfen; dies jeweils im Rahmen von Shows für die ukrainischen Flüchtlingskinder, die im Haus beherbergt werden und die dort Möglichkeit zu Unterricht haben; und auch für die Gäste der Puppentheater-Shows. Gespielt wird vor Ort an vier Tagen der Woche.
Die Räume des Licurici Theaters, die Bühne selbst und die liebevoll gestalteten Puppen und Requisiten müssten eigentlich grundlegend renoviert werden, die äußerst engagierte Direktorin versucht, Unterstützung von Institutionen wie der Unesco oder privaten Stiftungen zu finden.
Die moldawischen und ukrainischen Kinder, egal an welchem Ort wir sie treffen, staunen über unser plötzliches Da-Sein, beobachten sehr genau, wer den Quatsch macht oder die Sabotage anzettelt und helfen dem jeweils Unterlegenen oder Veräppelten der Clowns. Kurzum, sie spielen mit großem Vergnügen mit. Eine sehr tolle Erfahrung, an allen diesen Orten zu spielen.