Zum ersten Mal geht’s nach Moldawien: Der volkswirtschaftlich größte Schaden wird diesem Land durch die Massenauswanderung zugefügt. Geschätzte 45% der arbeitsfähigen Bevölkerung befinden sich im Ausland. Eltern verlassen ihre Kinder, um dorthin zu gehen, wo sie Arbeit finden. Die Kinder leben einfach alleine weiter. Sie versorgen sich größtenteils selbst, gehen angeln, backen Brot oder machen Käse. Insgesamt sollen 120.000 alleingelassene Kinder in Moldawien leben, noch mehr leben elternlos als sogenannte „Sozialweisen“ in Heimen oder auf der Straße.
Itinerary Date :16.10.2024Los geht's!
03.10.2024
Wir wünschen unsere Clowns Melanie Schlich, Thomas Schug und Alex Strauß eine gute Reise. Begleitet sie hier, auf Facebook oder hier in unserem Blog!
Die ersten Tage...
04.10.2024
Wir sind zurück auf Reisen, in bewährter Konstellation. Melanie alias Babetschka (Schmetterlingchen), Thomas alias Pāpādie (Löwenzahn) und Alex alias Kokosch (Hahn). Diesmal führt unser Weg nach Moldawien, begleitet von unserer Logistikerin Anna Stallmach, die uns auch riesig mit den Übersetzungen hilft und uns viel über das Land und die Kultur erzählt.
Die Vorzeichen waren turbulent: Unser Flug wurde mehrfach verschoben, aber nun kamen alle pünktlich an.
Üblicherweise ist der erste Tag dem Ankommen und Orientieren gewidmet, diesmal stürzen wir uns prompt ins Abenteuer: Es ist internationaler Tag der älteren Menschen – was könnte schöner passen, um die Tour zu starten? Dieser Ehren-Tag wurde bereits in den 1990er Jahren eingeführt, um den Beitrag der älteren Menschen zu würdigen und die Herausforderung der stetig wachsenden Lebenserwartung in den Mittelpunkt zu rücken.
Unser Ziel: ein Seniorenheim, in dem auch Menschen mit verschiedenen Behinderungen leben. Im Gepäck bringt Anna Blumen für die Damen mit. Wir werden sehr herzlich empfangen und sind beeindruckt von einem tollen Programm, das das Heim zusammengestellt hat. Morgens trat bereits ein Kinderchor auf und vor uns gehört die Bühne einem Sänger. Kurz hatten wir Bedenken, ob die Bewohner überhaupt noch genug Aufmerksamkeit für unsere Vorstellung haben würden – aber unsere Sorgen waren unbegründet. Strahlende Augen und aufmerksame Gesichter schauten uns erwartungsvoll entgegen. Nach der Vorstellung sprechen wir mit einer ehemaligen Lehrerin, die früher die Philharmonie leitete. Sie legt uns nahe, in unserer Show doch unbedingt noch mehr zu stolpern – das wäre das einzige, was noch fehlt. Und sie erzählt uns von all den beeindruckenden Menschen im Heim , die in jungen Jahren großartige Dinge in Moskau, der Ukraine und an vielen anderen Orten der Welt vollbrachten und nun hier leben. Ihre Geschichten sind faszinierend und wir hätten gerne noch viele mehr gehört. Und viel zu selten bietet sich auch den hier Lebenden die Gelegenheit diese Geschichten zu erzählen. Leider haben auch wir nicht für jede Geschichte Zeit.
Mit vielen sehr wertschätzenden Worten für uns im Gepäck bereiten wir uns nun auf unsere nächsten Auftritte vor. „Kommt wieder“, sagten sie. „Die Vorstellung war viel zu kurz, aber auch in der kurzen Zeit habt ihr viel Lachen hinterlassen.“ „Sie waren exklusiv.“ „Vielen Dank für diese Vorstellung.“ „Ihr seid so schön anzusehen.“
Türen und Tore geöffnet
06.10.2024
Heute führt unser Weg in ein nahegelegenes Stadtviertel, in dem sehr viele aus der Ukraine Geflohene eine neue Heimat gefunden haben. Durch die Nähe bedingt, es sind grade mal 50km zur ukrainischen Grenze, wollen die meisten auch hierbleiben. Eine kleine Gruppe Kinder erwartet uns bereits ganz aufgeregt in einem Häuschen, das einerseits Kindertagesstätte ist, jedoch auch wie ein kleines Kulturzentrum wirkt. Im Einzugsbereich leben etwa 1500 Menschen, die dem Haus in verschiedenen Aktivitäten verbunden sind; davon etwa zwei Drittel aus der Ukraine.
Insgesamt hat Moldawien bei 2,5 Millionen Einwohnern gut 120.000 ukrainische Flüchtlinge offiziell registriert aufgenommen (Stand Sept 2024), jedoch fluktuiert die Zahl seit Beginn des Konflikts ständig – 9 von 10 Geflüchteten ziehen weiter in die EU, kehren zurück oder pendeln in ihre Heimat. Mit einer Fläche von nur 33.846 km2 ist Moldawien ein kleines Land und die Zahl der Flüchtlingsunterkünfte ist begrenzt. Vor Ort erfahren wir, das viele Moldawier ihre Tore und Türen privat geöffnet haben, um den Menschen in dieser schwierigen Zeit zu helfen. Jedoch haben sich auch viele sehr wohlhabende Ukrainer in den letzten Jahren in Moldawien angesiedelt, so dass die Kosten für Lebenshaltung, Wohnraum und weitere Ausgaben in der letzten Zeit rasant steigen.
Gut, dass all das für die Kinder noch nicht mit Sorgen verbunden ist; sie sind einfach hier, mit uns, und hüpfen schon vor der Show um uns herum. Auch wenn wir heute wohl eine der kleinsten Shows unserer Vereinsgeschichte spielen, kann die glitzernde und vergnügte Freude der Kinder locker mit den Shows mithalten, in denen das Publikum groß und zahlreich ist. Ihre strahlenden Augen erinnern uns daran, wie wertvoll Momente der Freude und des Zusammenseins immer wieder von Neuem sind.
Cesara, die Leiterin bittet uns zum Abschied mehrfach, unbedingt im Lauf der Tage nochmal für eine Show vorbeizukommen, damit auch die etwa 100 Kinder, die gerade in der Schule sind, zuschauen können.
Die zweite Show, die wir heute im Norden des Landes spielen wollen, wird wegen Covid kurzfristig abgesagt. Nachdem die ganze Reise im April 2020 schon wegen der Pandemie verschoben werden musste, hat das dann irgendwie doch was sehr Absurdes.
Europäische Großstadt auf Moldawisch
09.10.2024
Wir machen uns auf die Wege in andere Stadtviertel von Chisinau, das mit seinen Bauwerken aus allen Epochen, großzügigen Parks und breit angelegten Boulevards im Zentrum durchaus ein immer wieder ähnliches Flair hat wie Yerevan, Tiflis oder Riga, aber eben auf Moldawisch. Ähnlich auch, wie in jeder Großstadt der Welt, die zahlreichen Staus. Wir besuchen eine Tagesstätte, in der Kinder mit verschiedenen Beeinträchtigungen betreut werden. Die Kinder und deren Eltern haben beim Anblick der Clowns und vor allem der Musik einen Riesenspaß; die Show bauen wir etwas um und nutzen zuletzt auch das Schwungtuch der Einrichtung, um die aufgeladene Energie auch für die Kinder gut zu kanalisieren.
Spannend zu hören, wie sehr sich diese Einrichtungen heute von früheren Kinderheimen unterscheiden, die es vor allem in Rumänien zahlreich gab, jedoch in der Sowjetzeit Moldawiens nur vereinzelt. Trotz aller geografischen Nähe ist die Mentalität in den Ländern doch sehr unterschiedlich. Die hiesigen staatlichen Häuser wurden geschlossen. Heute kümmern sich fast immer private Träger um die Einrichtungen, organisieren auch verschiedene therapeutische Angebote und sind wesentlich auf Spenden von Organisationen angewiesen, da der Staat nur teilweise fördert.
Dieser Umstand begegnet uns im Lauf der Tage in verschiedenen Kontexten, exemplarisch beim Licurici Puppentheater Chisinaus, mit dem wir drei Tage lang zusammenarbeiten dürfen; dies jeweils im Rahmen von Shows für die ukrainischen Flüchtlingskinder, die im Haus beherbergt werden und die dort Möglichkeit zu Unterricht haben; und auch für die Gäste der Puppentheater-Shows. Gespielt wird vor Ort an vier Tagen der Woche.
Die Räume des Licurici Theaters, die Bühne selbst und die liebevoll gestalteten Puppen und Requisiten müssten eigentlich grundlegend renoviert werden, die äußerst engagierte Direktorin versucht, Unterstützung von Institutionen wie der Unesco oder privaten Stiftungen zu finden.
Die moldawischen und ukrainischen Kinder, egal an welchem Ort wir sie treffen, staunen über unser plötzliches Da-Sein, beobachten sehr genau, wer den Quatsch macht oder die Sabotage anzettelt und helfen dem jeweils Unterlegenen oder Veräppelten der Clowns. Kurzum, sie spielen mit großem Vergnügen mit. Eine sehr tolle Erfahrung, an allen diesen Orten zu spielen.
Wo sind denn die Männer hin?
11.10.2024
Nach einigen Tagen in Chişinău fällt uns ein interessantes Muster auf: In den Einrichtungen in denen wir spielen und darüber hinaus begegnen wir ausschließlich weiblichen Führungskräften. Ob es nun die Leiterin der Philharmonie, die Verantwortliche eines Kindergartens, Die Schulleiterin, die Direktorin des Puppen- Kindertheaters oder gar die Präsidentin des Landes ist – überall vertreten und repräsentieren starke Frauen die unterschiedlichen Bereiche Moldawiens, von Kunst und Kultur bis hin zu Bildung und Wirtschaft.
Das kann kein Zufall sein, sind wir uns sicher, und beginnen, nach den Hintergründen zu fragen. Was wir erfahren, ist aufschlussreich: Obwohl die Lebenshaltungskosten in Moldawien deutlich unter dem europäischen Durchschnitt liegen ist das Leben hier, verglichen mit dem durchschnittlichen Monatseinkommen von etwa 350 bis 500 Euro oft kaum finanzierbar. Viele Familien schicken daher mindestens ein Mitglied – in den meisten fällen den Mann – ins Ausland, um das Familieneinkommen aufzubessern. Dies führt dazu, dass viele Männer überall in der EU vor allem in der Bau-, Transport- und Landwirtschaft arbeiten, während sie zu Hause fehlen.
Besonders in den ländlichen Gebieten bleiben Kinder oft bei Verwandten zurück, was zu emotionalen und sozialen Herausforderungen führt. Familienmitglieder sind gezwungen, ihre Familien nur selten zu sehen und im Ausland im Fall des Falles auch Arbeit anzunehmen die sie nicht erlernt haben oder nicht mit Passion ausfüllen, da sie zum Teil Abschlüsse international nicht anerkannt bekommen.
Diese Migration führt dann im weiteren dazu, dass Frauen die Verantwortung für lokale Führungsrollen übernehmen, sowohl in der Wirtschaft als auch der Politik oder dem öffentlichen Dienst. Auch in ländlichen und eher konservativen Teilen Moldawiens hat die Migration der Männer damit zur Folge, dass Frauen sich stärker in der Gemeinschaft einbringen und Führungsaufgaben innerhalb der Gemeinde übernehmen und die Geschicke vor Ort steuern.
Eine überraschende Stärke, die nicht nur den Alltag bestimmt, sondern auch in der Geschichte Moldawiens tief verankert ist. So erfahren wir, dass Moldawien eine lange Tradition der Bildung von Frauen vorzuweisen hat. Besonders in den Bereichen Bildung, Kultur, Verwaltung und Gesundheitswesen haben Frauen nicht nur mehr Zugang zu höherer Bildung, sondern steigen auch in Führungspositionen auf, die anspruchsvolle Managementqualitäten erfordern. Diese Kombination aus Tradition und Notwendigkeit hat zu einem einzigartigen Phänomen in der Führungsstruktur des Landes geführt.
Natürlich gibt es auch Bereiche, in den Männer stark vertreten sind. Wer nicht ins Ausland migriert, arbeitet häufig in Sektoren wie Bauwesen, Landwirtschaft, Militär, Justiz und Außenpolitik. Auch im Straßenbild – etwa bei der Polizei – fällt uns auf, dass eher Männer präsent sind.
Im Lauf der Tage erfahren wir auch von internationalen Programmen, die sich aktiv für mehr Gleichberechtigung stark machen und Frauen ermutigen, auch in traditionellen, männlich dominierten Berufen Fuß zu fassen. Insgesamt sind wir beeindruckt von diesen Entwicklungen und spüren dabei eine besondere Sicherheit, wenn wir uns durch die Stadt und den Parks bewegen – für uns ein Zeichen dafür, dass diese starke weibliche Präsenz und Verantwortung auch positiv auf das gesellschaftliche Klima wirkt.
Ein Tag voller Hoffnung und Zusammenhalt
13.10.2024
Heute führt uns unsere Reise zunächst in einen Kindergarten in Puhol (die Fotos aus dem Kindergarten kommen jedoch noch vom Vortag nachgeliefert) und am Nachmittag weiter nach Budesti, wo wir ein beeindruckendes Kinder- und Jugendzentrum besuchen.
Das Haus des Zentrums wurde vor gut 10 Jahren mit der Unterstützung der Udo Jürgensstiftung renoviert und gestaltet. Es ist sofort spürbar welch großartige Arbeit hier geleistet wird. Gerade finden 20 ukrainische Kinder Unterstützung, vor allem stehen hier aber Moldawische Familien im Mittelpunkt.
Wir werden sehr herzlich und mit einer nicht selbstverständlichen Offenheit empfangen. Im Anschluss an unsere Vorstellung tauchen wir in ein langes, ehrliches und emotionales Gespräch ein. Wir erfahren von den zahlreichen Herausforderungen, mit denen vor allem Familien im ländlichen Moldawien täglich konfrontiert sind. Hier stehen wir an einem Ort, das für alle Generationen errichtet wurde. Das Angebot des Zentrums ist erstaunlich breit gefächert: Babies, Teenager und Erwachsene finden hier gleichermaßen Zuflucht, Beratung, Unterstützung und vor allem Freundschaft. Bereits beim Betreten des Gebäudes sehen wir Menschen, die Kleiderspenden sortieren – ein wichtiges Zeichen der Hilfsbereitschaft. Aber das ist nur der Anfang. Hier werden vor allem zahlreiche kostenlose Aktivitäten angeboten. Ob für werdende oder gerade gewordene Mütter, kleine und mittelgroße Kinder, Teenager oder junge Erwachsene – alle finden hier einen Platz. Es gibt Tanzkurse, Kochkurse, und sogar Mahlzeiten für die, deren hungrige Bäuche zuhause nicht satt werden.
Es scheint, als helfe das ganze Dorf mit. Einmal die Woche kommen alle helfenden Kräfte des Dorfes zusammen: Bürgermeister- der ist immer der Haupt-Zuständige in der Verantwortung zu helfen, Polizei, Psychologen und Sozialarbeiter setzen sich an einen Tisch und beraten über außergewöhnliche Problem-Lagen oder auch wie besonders bedürftigen Menschen geholfen werden kann. Manchmal werden dabei auch sehr herausfordernde Fragen, wie die des Sorgerechts bei Scheidung, gemeinsam erörtert und versucht, Lösungen zu erarbeiten die von langfristiger Stabilität sein können. Was dabei besonders bemerkenswert ist: die gesamte Familie und das Umfeld werden mit einbezogen. Hier funktioniert viel von Gemeinde zu Gemeinde auf dem „kurzen Dienstweg“. So werde die Anbindung beim Umzug nicht unnötig lange aufgehalten. Das Netzwerk funktioniert.
Die Gemeinde Budesti sieht sich in einer glücklichen Lage. Durch die Nähe zur Hauptstadt Chisinau und das Zentrum, dass so gut aufgestellt ist, können viele Bedarfe abgedeckt werden. Doch die Leiterin erklärt uns auch eindrucksvoll, dass dies nicht für alle Regionen Moldawiens gilt. Je weiter man sich von der Hauptstadt, ggf. auch kleineren Städten, entfernt, desto herausfordernder wird die Gesundheitsversorgung und desto höher sind die Sterberaten. Kostenlose Gesundheits-checks gibt es durchaus, werden jedoch in den abgelegenen Dörfern oft nicht wahrgenommen und viele Familien leben in extremer Armut. Die Eltern arbeiten oft im Ausland, um die Familien zu ernähren, und die Kinder bleiben bei Großeltern oder Verwandten zurück. Ein Teufelskreis, der große emotionale Wunden hinterlässt.
Wir fragen die Leiterin, wie es sie es schafft, täglich all dies Schicksale und das Leid zu ertragen, dass sie hier sieht. Ihre Antwort kommt schnell und mit einem Lächeln, dass uns mitten ins Herz trifft: „Ein Ort zu schaffen, an dem die Kinder sich sicher und geborgen fühlen, gibt so viel zurück.“ Und genau das ist es, was wir hier spüren – eine Vision von Hoffnung, Zusammenhalt und gegenseitige Respekt. Am Ende des Tages gehen wir mit dem starken Gefühl auseinander, dass dieser Ort nicht nur Zuflucht bietet, sondern auch neue Kraft schenkt. Und auch die Dankbarkeit die uns entgegengebracht wird, ist überwältigend.
„Wenn ich groß bin, möchte ich auch Clownin werden“ – die Macht der Vorbilder
14.10.2024
Nach einer unserer Vorstellung kam ein kleines, etwa sechsjähriges Mädchen auf mich zu, umarmte mich und sah mich mit großen Augen an. Dann sagte sie: „wenn ich groß bin, möchte ich auch Clownin werden.“ Dieser Satz ging mir mitten ins Herz und mir wurde unvermittelt in diesem Augenblick klar, wie tief unsere Arbeit die Kinder hier berührt. Wir sind für sie nicht nur Künstler, wir werden zur Vorbildern – zu Helden in einer Welt, die für sie oft von Unsicherheit und Herausforderung geprägt ist.
Kinder lernen durch Nachahmung, und was sie in uns sehen, formt ihr Bild von dem, was möglich ist. Wir als Clowns vermitteln ihnen, dass Freude und Hoffnung auch in schwierigen Zeiten möglich ist. Damit haben wir die Möglichkeit, Emotionen zu bewegen. In Moldawien, wo viele Kinder ohne ihre Eltern aufwachsen, weil diese im Ausland arbeiten, empfinde ich die Rolle von Vorbildern umso wichtiger. Das Mädchen, dass davon träumt, Clownin zu werden, hat nicht nur die Freude gesehen, die wir verbreiten, sondern auch die Kraft der Gemeinschaft und des Lachens, die wir in unserer Arbeit schaffen. Die Bewegung von Emotionen geschieht jedoch nicht nur in eine Richtung. Diese findet nicht nur bei den Kindern oder anderen zuschauenden statt. Vor allem Kinder sind der Spiegel unserer Emotionen. Damit auch die der Clowns.
Vor allem bei einer unserer letzten Vorstellungen sehen wir, wie stark die Kinder auf unser Spiel reagieren und ganz in den großen Emotionen der Clowns aufgehen, lachen und mitfühlen. Fluturasch und Päpädia zanken sich im Verlauf des Stücks um Luftballons und veräppeln einander ganz schön, jede Show aufs Neue, zur ziemlichen Freude der Kinder. Wenn der Streit beigelegt und bei einem Tanz offensichtlich wird, dass sich die beiden ja doch sehr gerne mögen, nutzt Kokosch das wiederum zur Sabotage gegen beide. In jeder Show entscheiden sich die Kinder solidarisch dazu, den „Übeltäter“ zu verraten – heute jedoch reißt den Kindern echt der Geduldsfaden, im Dutzend entern sie die Spielfläche, beschweren sich vehement und nehmen die Verfolgung auf, bis sie Kokosch umzingelt und dingfest gemacht haben. Die Szene konnte beim besten Willen nicht wie geplant vorgeführt werden und musste improvisiert weitergehen, was uns Allen einen Riesenspaß bereitete.
Es war ein wunderbarer Moment, der zeigte, wie tief das Bedürfnis der Kinder nach Gerechtigkeit und Gemeinschaft verankert ist – sie spiegeln das, was sie in uns sehen, und verstehen instinktiv, dass die Clowns am Ende aller Verwicklungen immer noch Freunde bleiben. Unsere Arbeit hat nicht nur für die Kinder eine große Bedeutung, sondern auch für uns. Jeder Auftritt, jeder Reaktion der Kinder erinnert uns daran, warum wir hier sind. In Momenten wie diesen – wenn ein kleines Mädchen davon träumt, eines Tages selbst Clown zu werden, oder wenn Kinder sich gemeinsam für das Gute einsetzen – erkennen wir, dass wir mehr tun, als nur eine Show zu spielen. Wir hinterlassen einen bleibenden Eindruck, indem wir Visionen schaffen, Solidarität fördern und Freude verbreiten.
Einmal Alles
16.10.2024
Heute ist unser letzter Spieltag hier in Moldawien und wir sind ein bisschen zu spät, etwas chaotisch und mit Blick auf die Uhr. „Ach herrje, in 13 Minuten müssen wir umgezogenen, geschminkt und fertig vorbereitet auf der Bühne stehen!“ Nasen, Plektrums, Konfetti und Luftballons fliegen durcheinander um dann wieder sortiert am Clown zu sein. In dieser Tour haben alle das Gefühl etwas zerstreuter zu sein, beim anschließenden Reflektieren merken wir aber, wenn es drauf ankommt können wir uns auf uns Bande und unsere Professionalität verlassen.
Unsere erste Station am Morgen ist eine Schule für Kinder mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen; die hier Unterrichteten haben ganz unterschiedliche Herausforderungen, von Down- Syndrom über Intelligenzminderung bis zu körperlichen Einschränkungen. Eines haben sie alle gemeinsam, sie lieben die Clownerie. So berichtet eine der Pädagoginnen im Anschluss, dass viele Kinder erstaunlich aufmerksam waren und einer der Jungen schon sehr lange nicht richtig in der Kommunikation reagiert, nun aber die Augen die gesamte Zeit geöffnet hatte und uns zuschaute. Beim anschließenden Rundgang durch die Schule werden uns mit besonderem Stolz werden die ergo – und logotherapeutischen Räume präsentiert, die erst letztes Jahr mithilfe von Bauingenieuren und der großen Unterstützung der Rotarier Chisinau renoviert werden konnten.
Die zweite Vorstellung findet in einer Schule für gehörlose Kinder statt. Kurz vor Beginn bekommen wir diese Information und stecken die Köpfe zusammen: was bedeutet das für unser Stück? Doch bevor wir lange darüber nachdenken können, werden wir schon mit Umarmungen der Kinder empfangen – ein erstes Zeichen, dass hier, wie bei uns Clowns, vor allem mit Emotionen kommuniziert wird. Auf diesen Auftritt freuen sich alle besonders. Ein Dolmetscher für Gebärdensprache ist vor Ort und darf unsere Vorstellung übersetzen, doch schon nach der ersten Szene setzt er sich selber ins Publikum und genießt das Stück – ein gutes Zeichen für uns, wir sind uneingeschränkt verständlich. Die Emotionen sind groß: als unsere Clownin Fluturasch heulend ins Publikum rennt, stehen plötzlich mehr als die Hälfte der Kinder auf, um sie zu trösten. Im großen Finale meldet sich der älteste Schüler mutig freiwillig und wird für seine Tapferkeit mit einer Konfettikanone gefeiert.
Nach dem Auftritt und vielen Fotos werden wir noch zu Kaffee und Tee eingeladen und es entstehen interessante Gespräche. Es wird vor allem über Inklusion diskutiert – sollen gehörlose Kinder in reguläre Schulen gehen, obwohl dort oft nicht die optimalen Fördermöglichkeiten gegeben sind? Es ist ein zweischneidiges Schwert, dass keine einfache Antwort bietet.
Der dritte Auftritt des Tages führt uns zu einem Freizeitzentrum, an dem wir bereits am Anfang der Tour gespielt haben. Diese letzte Show der Tour bringt uns mit ukrainischen Jugendlichen zusammen, die erst seit einem Monat hier sind und – sozusagen – gerade eben aus den Städten der Frontlinie nach Moldawien geflohen. Sie wirken erschöpft und etwas distanziert, immer wieder aber gelingt uns, auch sie mit Humor und Freude anzustecken.
Der Tag vergeht wie im Flug. Müde, aber glücklich machen wir ein letztes Mal Abschiedsfotos und packen die Sachen. Der Satz der Fotografin Daniela bleibt besonders im Gedächtnis und trifft genau das, was alle spüren: „Mit Nase sah doch alles irgendwie schöner aus.“