Zum ersten Mal in unserer Vereinsgeschichte geht es nach Benin! Wir sind gespannt, was unsere Clowns Christelle Schneider, Melanie Schlich, Thomas Schug und Alexander Strauß erleben werden.
Itinerary Date :05.11.2025Los geht's!
29.10.2025
Vom 29. Oktober bis 9. November werden vier Clowns miteinander zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte nach Benin reisen. Melanie Schlich, Thomas Schug und Alex Strauß waren miteinander bereits in Peru und zuletzt in Moldawien. Christelle Schneider ergänzt das Trio zum Quartett. Begleitet werden sie von Elfriede und Volker, den Vorsitzenden des Vereins „Sulzbach hilft Benin e.V.“ sowie Karin, die sich auch seit langem in dem Verein engagiert. Seit 2005 führt der Verein Hilfsprojekte in Bassila, der nahe an der Grenze zu Togo gelegenen Partnerstadt von Sulzbach, durch und unterhält gute Kontakte vor Ort. So werden der Bürgermeister von Bassila persönlich und seine Stadtverwaltung die Auftrittsorte für die vier Clowns auswählen.
Ähnlich wie in Tansania machen in Benin Kinder unter 15 Jahren fast die Hälfte der Bevölkerung aus. Verwaiste oder verstoßene Kinder leben auf der Straße, werden als Arbeitssklaven ins Ausland verkauft oder zur Prostitution gezwungen. Auch Voodoo-Praktiken und ein mörderischer Aberglaube bedrohen Kinder existenziell. 36 Prozent der Kinder in Benin werden zur Kinderarbeit gezwungen.
Der Verein „Sulzbach hilft Benin e.V.“ unterstützt hier vor allem mit Patenschaften für Kinder, damit diese nicht für die Arbeit in Granitminen, Fabriken oder Baumwollplantagen verkauft werden, sondern zur Schule gehen können und mindestens eine gesicherte Mahlzeit am Tag haben.
Benins Bevölkerung ist sehr arm. 40,1 Prozent leben unterhalb der nationalen Armutsgrenze und nur 8 Prozent besitzen eine Krankenversicherung, die es ihnen ermöglicht, medizinische Behandlungen in Anspruch zu nehmen. 58 Prozent der Erwachsenen sind Analphabeten.
Melanie Schlich, Christelle Schneider, Thomas Schug und Alex Strauß werden auf ihrer Reise vor allem für Kinder in Schulen und Waisenhäusern spielen, sowie für die Kinder, die auf der Straße oder in den Dörfern leben.
01. Tag
30.10.2025
Unsere Reise in Benin erwartet uns gleich mit mehreren kleinen Abenteuern.
Nach 10 Stunden Flug, müde aber glücklich, endlich afrikanischen Boden unter den Füßen zu haben, ist an Einchecken im Hotel erstmal nicht zu denken, da unsere Zimmer noch belegt sind. Also warten wir geduldig, während die Uhr Richtung Mitternacht tickt. Erst um 23:30 Uhr werden zwei der Clowns in ein anderes Hotel gefahren und die anderen erhalten doch noch ein Zimmer im eigentlich reservierten Hotel. Also jetzt, Ruhe. Schlaf. Endlich angekommen.
Am nächsten Morgen startet unser erster offizieller Tag in Benin, fast pünktlich um 10 Uhr geht es los. Geld wechseln, Wasser kaufen, und ab aufs Land. Etwa 350 km von Cotonou ins Landesinnere nach Bassila.
Schon nach wenigen Metern ist klar, hier gelten andere Verkehrsregeln. Eine ganz eigene kreative Version davon. Hier fahren Autos mit völlig zerstörter Windschutzscheibe, Lastwagen mit dreifacher Überladung, Motorräder auf denen ganze Familien Platz finden, oder gar Särge quer transportiert werden. Und dennoch, alles fließt, irgendwie. Ein chaotischer, lebendiger Rhythmus, der auf seine Weise funktioniert.
Wir selbst kommen in zwei Polizeikontrollen, weil wir es dann wohl doch zu eilig hatten und vermuten mit einem Zwinkern, dass dieser Umstand unserem Organisator der Reise zuzuschreiben ist. Dieser hatte nämlich kurz vor der ersten Kontrolle noch erwähnt, dass Autos mit blauem Nummernschild niemals angehalten werden, weil dies Fahrzeuge aus dem öffentlichen Dienst sind. Für Geschwindigkeitskontrollen scheint diese Immunität diesmal nicht zu gelten.
Nach ungefähr 8 Stunden Fahrt, einer kleinen Autopanne und den zwei Verkehrskontrollen werden wir dann mit offenen Armen, Musik und Tanz empfangen. Bei so viel Herzlichkeit sind die Strapazen der Anreise schnell verflogen und morgen Früh geht es auch gleich weiter. Um 9 Uhr steht gleich ein erster offizieller Termin an, der Besuch beim König Bassilas Atchiba II. Wir sind gespannt und auch ein bisschen aufgeregt.
02. Tag: Besuch beim König Atchiba II
31.10.2025
Der Tag beginnt mit einem leckeren Frühstück und um 9 Uhr sollten wir los, doch Pünktlichkeit ist hier eher ein poetisches Konzept als ein logistischer Standard. Kein Problem, denn wir haben Zeit für Spontanität im Gepäck.
Als es denn eineinhalb Stunden später los geht, fahren wir unweit entfernt in ein kleines, staubiges Örtchen und halten dort vor dem Palast, dem „Palais Royal de Bassila“. Von außen wirkt es weniger, wie wir uns einen Palast vorstellen. Es gibt keine prunkvollen Fassaden und kein königliches Glanzlicht. Anhand der Sitzgelegenheiten wird uns aber doch schnell klar, wo hier der König sitzt. Der Rest der Sitzordnung wird nicht dem Zufall überlassen, eine genaue Sitzordnung für uns, wird durch den Hofstab hergestellt. Nach der offiziellen Rede und Dankesbekundung, dürfen wir, zum großen Vergnügen der Anwesenden, eine kleine Kostprobe zum Besten geben. Diese bleibt nicht unbemerkt, Kinder des Dorfes schleichen sich heimlich hinter die Palastfenster und schauen zu. Nachdem wir unser mitgebrachtes Geschenk überreicht haben, folgen nochmals Dankesbekundungen und eine Überraschung: Der König spricht selbst ein, zwei Worte. Eine Ausnahme. Normalerweise spricht der König niemals selbst, sondern hat sein Sprachrohr dafür.
Weiter erfahren wir an diesem Vormittag, dass es durch ein neues Gesetz den Königen wieder erlaubt wird, in ihrem jeweiligen Einflussbereich politisch-strukturelle Aufgaben zu übernehmen; und dies in einem Land, das seit den frühen 1990 Jahren zunehmend demokratische Strukturen hat. In der Vergangenheit spielten traditionelle Machtstrukturen eine wichtige Rolle, bis heute haben Könige oder Stammes- beziehungsweise Orts-Oberhäupte, zumindest symbolisch, Einfluss und werden oft als Vermittler oder Zeremonienpersonen eingesetzt. Nach der Gesetzgebung wird der König wieder mehr in Entscheidungen des Staates mit einbezogen.
Am Nachmittag sind wir im zentralen Krankenhaus Bassilas. Vor unserer Show empfängt uns die Direktorenebene des Krankenhauses. Sie erklären, was in den letzten Jahren aufgebaut wurde, wo es Nachholbedarf gibt und was ihre Visionen sind. Einige Fakten lassen uns Innehalten: Kein fließendes Wasser, begrenzte Elektrizität, eine sehr hohe Kindersterblichkeit, insbesondere durch Malaria. (Malaria ist in Benin ein sehr zentrales Gesundheitsproblem. Im Jahr 2021 gab es circa 5 Millionen Malariaanfälle. Bei Kindern unter fünf Jahren gibt es etwa 38.000 Todesfälle jährlich 37,8 % davon durch Malaria, Durchfall oder akute Atemwegserkrankungen. Trotz der hohen gesundheitlichen Schwere beträgt die Gesundheitsausgabe als Anteil am BIP etwa 2,5 % der Wirtschaftskraft. Im Vergleich sind die Gesundheitsausgaben in Deutschland deutlich höher und machen circa 11 % bei deutlich stärkerer Wirtschaftskraft aus. Bei der Diskussion darüber darf nicht vergessen werden, dass hier noch zwingend strukturelle Ausgaben erforderlich sind, für Strukturen, die in Deutschland lange vorhanden sind, wie Elektrizität und fließend Wasser. Immerhin, neu ist, dass der Staat mittlerweile die Malariaprophylaxe für Kinder bis zwölf sowie Kaiserschnitte übernimmt.)
Dennoch, die Ausstattung ist knapp, es gibt kaum Platz und zu wenig Betten. Wo wir in Deutschland diskutieren, ob es einem Patienten zumutbar ist, in einem Dreibettzimmer behandelt zu werden… heißt es hier, Sechsbettzimmer mit Betten, die zwei oder drei Patienten gleichzeitig belegen. Dabei ist nicht mal das dreifachbelegte Bett für den Großteil der Bevölkerung überhaupt zu bezahlen. Besonders in der Regenzeit sterben Menschen aufgrund von Schlangenbissen, weil sie sich das Gegengift nicht leisten können.
Wir spielen hier kurze Sequenzen in drei Zimmern der Pädiatrie und zum Abschluss eine längere Sequenz im Innenhof. Dieser Besuch berührt uns alle sehr und besonders schön zu sehen, wie sich mit unserem Spiel, in den Gesichtern der Eltern, denen man die Sorge um ihre Kinder eben noch angesehen hat, ein Lächeln breit macht.
📸 Pictures by Seidou Razack
03. Tag: Im Kinder-Herz Afrikas
01.11.2025
Heute haben wir gleich dreimal gespielt. Drei Spielorte, drei Abenteuer.
Los ging’s am Vormittag in einer Schule mit knapp tausend Kindern. Hier begann vor rund zwanzig Jahren alles für die Hilfsorganisation, mit der wir unterwegs sind. Diese hatte damals ihre erste Schule hier errichtet. Ein kleiner Bretterverschlag diente seinerzeit als Klassenzimmer und steht tatsächlich noch heute. Wenn man sich vorstellt, dass dort früher Kinder selbst bei Regen unterrichtet wurden, bekommt man eine Ahnung davon, wie wertvoll Bildung hier ist.
Mittlerweile sind aus dieser einen Schule mehrere geworden, darunter sogar ein zweistöckiges Schulgebäude, das andere Organisationen unterstützt haben. In einer anderen Schule durften wir einer Sitzung der Gemeinde beiwohnen. Alle wünschen sich neue Finanzierungen für Klassenräume, Elektrizität und Toiletten. Bei all den Wünschen wird auch deutlich: Noch immer gehen viele Kinder gar nicht zur Schule, obwohl in Benin 5 Jahre Schulpflicht herrscht. Es brauche mehr Aufklärungsarbeit, so hieß es, damit Eltern verstehen, wie wichtig Bildung ist. Die wiederrum antworten, dass sie die Kinder untertags bei der Feldarbeit brauchen und Abendunterricht sinnvoll wäre – der wiederum jedoch scheitert am Mangel an Lehrern und der Nicht-Verfügbarkeit von Strom für Licht.
Das Schulsystem selbst orientiert sich am französischen Modell, und auffällig ist, dass es nicht nur Schuluniformen gibt, sondern auch alle Kinder, geschlechtsunabhängig, an staatlichen Schulen fast rasierte Haare tragen, „damit alle gleich sind“, erklärt man uns.
Weiter geht’s in einen Kindergarten, wo die Kleinen mit großen Augen und noch größeren Herzen unser Spiel verfolgen. Eigentlich sollte danach ein Auftritt auf der kleinen örtlichen Krankenstation folgen, doch ein gerade eingeliertes Opfer eines schweren Verkehrsunfalls macht das unmöglich. Wir lassen gute Gedanken für den Verletzten hier und planen spontan um. Wir landen an einer Schule mit rund 800 Kindern.
An diesen Auftritt werden wir uns noch lange erinnern. Die Kinder fiebern mit uns Clowns, lachen, schreien und jubeln, und als das Finale gespielt ist, bricht der Damm. Hunderte kleine Hände stürmten auf uns zu. Alle wollen uns berühren, festhalten, spüren. Manche streichen neugierig über unsere Haut, um zu prüfen, ob sich darunter vielleicht dunkle Farbe versteckt. Viele haben hier vermutlich noch nie einen Europäer aus nächster oder nahbarer Nähe gesehen.
800 Kinder, die gleichzeitig klatschen, rufen, zupfen und lachen ist eine Welle der Energie, die kaum zu beschreiben ist. Die Lehrer versuchen mit Stöcken wieder Ordnung herzustellen, ein Bild, das uns erschüttert. Wir fragen nach. Das Schlagen der Kinder ist in ganz Benin per Gesetz verboten. Die Stöcke in den Händen der Lehrer sind offiziell nur dafür da, Dinge an der Tafel zu zeigen.
Als wir ins Auto steigen, wollen einige Kinder gar nicht loslassen. Sie laufen noch ein Stück hinterher.
📸 Pictures by Seidou Razack
04. Tag: Zwischen Kreidebildern und Termitenhügeln
02.11.2025
Der Vormittag führt uns zu einer Schule mit angeschlossenem Kindergarten, unweit unserer Unterkunft. Für die Kleinsten spielen wir eine etwas zartere, verkürzte Version unseres Stücks, bevor es draußen unter einem großen Baum eine große Vorstellung für die Schulkinder gibt, wieder für beeindruckend viele.
Doch bevor wir loslegen, bekommen wir selbst eine kleine Vorstellung geschenkt, die Kindergartenkinder singen uns ein Lied. Überhaupt werden wir in Benin häufig mit Liedern oder Tänzen begrüßt, ein Ritual, das wir dankbar und mit warmem Herzen als gegenseitigen künstlerischen Austausch verbuchen. Von Kindergartenkindern bis Eltern haben wir bereits jetzt, in kurzer Zeit, viele kleine, liebevolle Aufführungen gesehen.
Draußen unter dem Baum haben sich alle irgendwann einmal während der Vorstellung den Kopf an einem tiefhängenden Ast angestoßen, wie wir lachend nach der Vorstellung feststellen müssen. Auch hier nehmen wir wieder Eindrücke und Wünsche der Ansässigen im Gepäck mit. Kaum zu glauben, aber wahr, der Kindergarten hat auch nach mehreren Jahren keine Toiletten, und der anwesende Bürgermeister beteuert, er würde ja gerne Abhilfe schaffen, damit die knapp 100 Kinder nicht mehr in das angrenzende Wäldchen gehen müssen – ihm sind aber die Hände gebunden. Dies deshalb, da zu Beginn des nächsten Jahres Wahlen in Benin stattfinden werden, in deren Folge ein neues Gesetz für Kindergärten in Kraft treten wird. Erst wenn das der Fall ist, wird die Genehmigung erfolgen, wenigstens eine Latrine zu bauen.
Auch der Spielplatz ist kaum nutzbar. Eine zersplitterte Holzrutsche hat längst ausgedient und die übrigen Metallgeräte sind weit entfernt von einem TÜV-Siegel und stehen glühend heiß, dauerhaft in der Sonne. Auch drinnen fehlt es an Spielsachen. Trotz all dieser Umstände spüren wir deutlich die Motivation und Hingabe der Menschen, die die Kinder hier fördern. Die Bilder, die hier mit Kreide an die Tafel gemalt wurden erzählen uns, dass hier jemand Liebe und Herzblut in die Bildung der Kinder steckt – und die Bilder selbst stehen im Detail einem Foto in einer europäischen LernApp in nichts nach.
Am Nachmittag geht es zum ersten Mal wirklich „über Stock und Stein“: vorbei an Schafs- und Rinderherden, über schmale Pfade und zwischen hohen Termitenhügeln hindurch zu einer abgelegenen Schule in Mele-Mele. Auch hier werden wir mit einer kleinen Darbietung empfangen. Man erzählt uns, dass dieses Dorf selbst dem Rathaus der Kommune und vielen anderen Einheimischen unbekannt war, bevor die Schule vor etwa zehn Jahren hier gebaut wurde. Nun platzen die Klassen aus allen Nähten, immer mehr Kinder teilen sich zu wenig Räume. Einige müssen abgewiesen werden und wachsen dann ohne Bildung auf. Ein weiteres Gebäude müsste also her.
Hier spielen wir zum ersten Mal unser komplettes Stück, ganz ohne Änderungen. Dass wir bisher fast jedes Mal spontan Passagen anpassen mussten, ist intern schon zum Running Gag geworden. Umso schöner, dass heute alles genau so funktioniert, wie wir es einmal geplant hatten. Besonders die Frauen mittleren Alters lachen Tränen, wenn Krikri und Bijou die beiden Herren Dodo und Chouchou ordentlich an der Nase herumführen.
Wir sind sehr dankbar über einen sehr gelungenen Tag, den wir beim Abendessen noch einmal Revue passieren lassen.
05. Tag: Was ist vom Dschungelbuch geblieben?
03.11.2025
Der Tag beginnt etwas anders als geplant. Magen-Darm hat heute Nacht zugeschlagen. Schnell ist klar, die heutige Show wird eine Dreiernummer. Unser vierter Clown bleibt gut versorgt im Hotel und kuriert sich aus. Schnell machen wir einen kurzen Check der Szenen, passen an und planen um und so fliegen bei uns zwischen Kaffee, Ananas und Marmeladenbrot schon die Jonglierbälle durch die Luft.
Die heutige Vorstellung ist insofern eine Besondere, da wir das Herzstück der Aktivitäten unseres Partnervereins für diese Reise – „Sulzbach hilft Benin“ besuchen – ein Patenkinder-Projekt, in dem 149 Kinder betreut werden und das schon über zwei Jahrzehnte läuft.
Die Begrüßung ist laut, herzlich und bunt, und auch unsere Show läuft trotz der ungewollten Änderung rund. Schweiß, Staub und Lachen mischen sich zu einer besonderen Art von Teamarbeit. Als wären wir noch nicht genug verausgabt, werden wir nach unserer Vorstellung gleich zum Tanz aufgefordert. Eine kalte Dusche haben wir uns alle mehr als verdient.
Die Nachmittagsvorstellung musste verschoben werden, daher steht etwas ganz anderes auf dem Programm; ein Besuch in einer Auffangstation für Affen. Die Gründerin, eine Französin, lebt seit vielen Jahren hier und kümmert sich ohne jegliche staatliche Unterstützung gemeinsam mit ihrem kleinen Team um verwaiste und verletzte Tiere. Ziel ist es nicht nur, die Affen in einem mehrstufigen Prozess aufzupäppeln und, wenn möglich, wieder auszuwildern, sondern sie generell vor dem Aussterben zu bewahren. Drei der vier hier lebenden Arten gibt es in Benin nur mehr hier. Doch viele können nie zurück in die Freiheit. Sie sind blind, verletzt oder verstümmelt. Es leben verschiedene Arten zusammen: Baobas, Atas und sogar eine Art Berberaffen. Einen Tierarzt gibt es nicht, vieles bringt sich das Team selbst bei.
Wir führen eine lebhafte Diskussion über das Bewusstsein des Zusammenspiels von Natur und Mensch, der die Lebensräume der Tiere immer enger macht. Als Reaktion auf den Umstand kommen die Affen auf die Felder und richten große Schäden an, was ihnen zum Verhängnis wird, sie werden gejagt und getötet, wie viele andere Wildtiere, die in ganz Westafrika für verschiedene Zwecke den natürlichen Lebensräumen entnommen werden; etwa, um sie für ein kleines Taschengeld zu züchten und zu verkaufen. In einer verhängnisvollen Kette stehen am Ende dieser Logik Phänomene wie Gelbfieber, Lassa, Marburg-Fieber oder Ebola und viele ähnliche Erkrankungen, in der die ursprünglichen Barrieren der Übertragungswege durchbrochen werden und wiederum die Menschen bedrohen. Verstanden werden diese Zusammenhänge hier jedoch nicht.
Ein kleines Schmunzeln gibt es zum Schluss trotzdem. Der Anführer der Affen hier heißt, ganz zufällig, Chouchou, so wie einer unserer Clowns. Der echte Chouchou freut sich hörbar über diesen Namensvetter, und wir alle nehmen es als kleines Zeichen des Universums für eine gelungene Verbindung zwischen Menschen, Tier und Humor.
Am Sonntag wird der Auftritt in einem muslimisch geprägten Waisenhaus nachgeholt. Hier leben ausschließlich Jungen, während Mädchen und Jungen gemeinsam zur angeschlossenen Schule gehen. Alle fühlen sich wieder fit und so treten wir in gewohnter Besetzung auf. Gespielt wird in einer Art Aula mit erstaunlicher Akustik. Bei dem zuvor gespielten Begrüßungslied durch die hier wohnenden Kinder und Jugendliche, merken wir gleich, wie lebendig der Raum reagiert. Alle wirken sehr ruhig, diszipliniert und aufmerksam. Doch als der erste Clown stolperte und die Musik einsetzte, bricht das Lachen und die Freude los. Es wird wohl eine der emotionalsten Vorstellungen dieser Reise. Wir werden mit Dankbarkeit überschüttet.
Am Abend sitzen wir mit einem unserer örtlichen Begleiter zusammen. Ein Gespräch, das hängen bleibt. Es geht um Glauben, um Männer und Frauen, um Voodoo, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Immer wieder sitzt mal der eine, dann der andere mit offenem Mund da, manchmal vor Staunen, manchmal vor Überraschung, manchmal können wir uns gar nicht vorstellen, dass Dinge und Umstände so unterschiedlich sein können.
Am Ende sind wir uns einig: Wir alle sind Menschen. Niemand auf dieser Welt hat zwei Köpfe. Wir müssen miteinander reden, uns zuhören, einander vertrauen.
📸Pictures by Seidou Razack
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06. Tag: König ohne Strom
04.11.2025
Auf dem Schulhof ist bereits viel Bewegung, als wir eintreffen. Kleine Gruppen rennen freudig, aufgeregt durcheinander. Ein Kommando ertönt, und wie kleine Flummis springen die Kinder in ihre Klassenräume. Kurz darauf sind alle wieder draußen, bereit für unsere Vorstellung.
Nicht nur die Schule ist versammelt, das halbe Dorf ist gekommen. Selbst der König hat sich angekündigt. In dieser Schule berichtet man uns von einem besonderen erwähnenswerten Ziel. Hier wird sich gezielt dafür eingesetzt, dass besonders die Mädchen ihre Schulbildung fortsetzen. Der Schulabbruch vieler Mädchen ist in Benin ein großes Thema. Viele verlassen die Schule bereits zwischen der 5. und 9. Klasse. Häufig liegt das daran, dass Familien ihre Töchter in andere Regionen, meistens nach Nigeria, schicken (bis 50.000 Kinder im Jahr), um dort als Haushaltshilfen zu arbeiten, oder sie müssen schlichtweg auf dem eigenen Feld helfen.
Die Zahlen zeigen deutlich, wie wichtig Bildung ist. Nur rund 39% der Frauen in Benin können lesen und schreiben, während es bei Männern über 63 % sind. Mädchen, die früh die Schule verlassen, haben deutlich geringere Chancen auf wirtschaftliche Unabhängigkeit und sind häufiger von frühen Ehen und Mutterschaft betroffen. Wird hier eine Frau von der Familie verstoßen oder stirbt der Mann, steht sie ohne Geld und ohne staatliche Hilfe dar.
In Benin sind 26% der jungen Frauen zwischen 20 und 24 Jahren bereits vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet. Die Folge, viele Mädchen werden sehr früh Mütter. Im Hospital erfuhren wir, dass hier nicht selten Erstgebärende mit 13 Jahren zum ersten Mal hinkommen.
Auch körperliche Selbstbestimmung ist in Benin ein sensibles Thema. Noch immer sind etwa 27 % der Frauen im Alter von 15 bis 49 Jahren von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen. Zwar ist die Praxis gesetzlich verboten, doch in ländlichen Regionen besteht diese Traditionen fort. Dennoch, es gibt Veränderungen. Immer mehr junge Frauen und Männer sprechen offen über Bildung, Gleichberechtigung und Gesundheit. Es bewegt sich etwas, langsam, aber spürbar.
Das Dorf Modogui ist außerdem nicht ans Stromnetz angeschlossen, berichtet man uns bei unserem Besuch. Der größte Wunsch der Menschen hier und damit des Königs ist schlicht, eine funktionierende Leitung. Das Dorf ist sehr abgelegen, die Straße hierher nicht geteert. Eine Leitung würde erhebliche Kosten produzieren. Und dennoch, Strom bedeutet Licht am Abend. Lernen bei Dunkelheit, Kühlung für Medikamente, kurz: Zukunft. So das Plädoyer des Königs.
Und während wir Clowns tanzen und spielen, stehen die Kinder und Erwachsenen dicht gedrängt um uns, lachen, jubeln und klatschen. Vielleicht ist das Lachen hier heute mehr als nur Spaß. Vielleicht ist es ein kleines Stück Freiheit, ein Vorbild, ein Moment, der Mut macht, dranzubleiben. Denn jedes Mädchen, das weiter zur Schule geht, verändert nicht nur seine eigene Zukunft, sondern die seines ganzen Dorfes und somit die des ganzen Landes.
📸Pictures by Seidou Razack
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07. Tag: Vom Turmbau zu Bassila
05.11.2025
Vier Shows stehen heute auf dem Plan. Bei 33 Grad, die es schon morgens um 9:00 Uhr hat, achten wir mehr als sonst darauf, alle fit zu sein und genug Wasser einstecken zu haben. Nicht dass wir den berühmten Turm zu Babel bauen würden wollen, heute aber immerhin an die 3000 Kinder besuchen.
Bassila ist ein Department, das nicht einmal so groß ist wie das Saarland, aber sprachlich eine kleine Weltreise darstellt. Hier werden neben Französisch, 5 heimische Sprachen gesprochen: Yoruba, Dendi, Ani, Fulfulde und Bariba, dazu kommen lokale Dialekte. Wer hier aufwächst, bewegt sich oft schon im eigenen Dorf durch mehrere Sprachen. Bildung ist nicht für alle frei zugänglich, und genau deshalb spürt man, wie sehr Sprache Türen öffnen oder verschließen kann.
Die Sonne brennt, unsere Clownskostüme arbeiten heute im Grenzbereich. Der Schweiß tropft, die Nasen kleben, die Schuhe quietschen. Von Auftrittsort zu Auftrittsort fällt uns heute vermehrt der Müll auf, der mancherorts am Straßenrand liegt, zwischen den Häusern oder in den Feldern. Als wir nachfragen, erfahren wir, dass das kommunale Müllauto bereits seit zwei Jahren kaputt ist. Reparieren lässt es sich nicht. Wer es hier sauber halten will, muss privates Geld in die Hand nehmen, eine Option, die viele nicht haben. Und wer nicht genug für Essen hat, denkt eher zuletzt an Müllentsorgung. Dass es dennoch an vielen Orten im Land recht sauber ist, hat mit dem Umstand zu tun, dass die Bewohner nachts und morgens ihren Müll einfach verbrennen.
Auch die Landwirtschaft kämpft. Die Viehherden, die durchs Land ziehen, fressen immer wieder ganze Felder leer. Das sorgt für Spannungen zwischen Viehhirten und Ackerbauern. Die Kommune diskutiert, den Hirten einen großen Landstrich zur Verfügung zu stellen, um die Situation zu entschärfen. Gleichzeitig dürfen die Bauern ihre Ernte nicht mehr im nur wenige Kilometer entfernten Togo verkaufen, sondern müssen sie für einen geringeren Preis an die Agrar-Genossenschaft abgeben. Für viele Familien ist das ein hartes Minus, das sich im Alltag sofort bemerkbar macht.
Bassila wächst rasant. Das Bevölkerungswachstum in Benin gehört zu den höchsten in Westafrika. In diesem Spannungsfeld aus Landwirtschaft, Handel, Ressourcenknappheit und Bildung spürt man, wie viele Baustellen gleichzeitig bewegt werden müssten. Wir diskutieren oft darüber, wie dieses Land in zehn, zwanzig Jahren aussehen könnte. Niemand weiß es. Trotzdem geht es immer weiter. Immer. Schritt für Schritt, auch hier.
Unterdessen laufen die Shows super, die Kinder sind vergnügt, staunen und feiern mit uns. Am letzten Spielort des Tages, in Parthago, wird vor der Show ein Grundstein für eine neue Schule gelegt. Ein Zeichen der Hoffnung für diesen Ort, von Zukunft und von Entwicklung. Entsprechend sensationell ist die ausgelassene Stimmung. Müde-glücklich endet für uns ein langer, pulsierender und intensiver Tag mit dem Gefühl, dass hier etwas entsteht. Nicht schnell. Nicht leicht. Aber sichtbar und spürbar. Unsere Herzen wurden heute tausende Male berührt, so wie wir heute einige tausend Herzen berühren durften.
📸Pictures by Seidou Razack
#clownsohnegrenzen #clowns #clownswithoutborders #clownswithoutbordersgermany





























































































