Nach der letzten Reise mit Walter Steffen und seinem Film „Joy in Iran“ reisen wir nach zwei Jahren wieder in den Iran. Begleitet uns hier in unserem Reiseblog und auf facebook!
Itinerary Date :18.11.20191. Tag
04.11.2019
Es geht los: Seppi und Deppo auf dem Weg nach Teheran!
Hurra, nach einer etwas ausgiebigeren Visumsodyssee, klappt’s.
Die Maschine rollt.
Teheran, wir kommen!!!!
2. und 3. Tag
06.11.2019
… in Teheran:
1. Nacht:
Schon eine halbe Stunde nach der Landung stehen wir mit unserem riesen haufen Gepaeck vor dem Flughafen…
Susie ist fix und fertig und kann es kaum fassen…Wir hatten uns auf mehrere Stunden Wartezeit eingestellt…was eine unerwartete Freude!
Deswegen denken wir uns aber auch nichts als wir auf unsere lieben Gastgeber warten muessen…
Waehrend dieser Wartezeit bemerkt Susie voller Freude die vielen kleinen Veraenderungen…
3 Jahre sind doch eine lange Zeit…
Nach einer Stunde kommt es uns dann aber doch komisch (man wird den Clown einfach nicht los) vor…und waehrend Susie die Nummer holt um ihre Freundin, unsere Kontaktperson anzurufen, schreit jemand “suuuuusi” durch die Eingangshalle…
Aha! Sie haben auch gewartet…Naemlich auf den Anruf von der Visumsbehoerde…der niemals kam…
Naja jetzt haben wir uns ja gefunden…auf nach Teheran!
Nach grosser Wiedersehenfreude fallen wir hundemuede aber ueberaus gluecklich in unsere Bettchen…
2.Tag:
Das Fruehstueck auf iranisch (Sesambrot mit Frischkaese Walnuessen und Honig) bringt unsere Lebensgeister zurueck…danach gehen wir unseren Spielplan fuer die naechsten 2 Wochen durch…Wow das Programm steht…Und wie es steht…!!!
Alles bestens organisiert und durchgeplant…in Theorie jedenfalls…mal schauen was alles zwischendrin passiert! Kann ja immer sein, dass der ein oder andere Plan umgeworfen werden muss…so was solls ja schonmal geben! Aber alle Spielorte haben fest zugesagt, die Fluege sind gebucht und wir sind super gluecklich und dankbar!
Ich fuehle mich beschuetzt und behuetet, geliebt und umsorgt, obwohl wir uns gerade mal 2 Tage kennen…Die Gastfreundschaft im Iran ist wirklich unglaublich!
OK…auf zum naechsten Tagesordnungspunkt…Es wird erstmal ein Taesschen Chai serviert!
Wir bereiten den Workshopraum vor…40 Personen von der Organisation “Mofid Theater Group” wollen kommen um mit uns zu arbeiten, sich auszutauschen und zu lernen. Leiter der Gruppe ist ein alter Bekannter von den letzten Reisen, der mit seiner jungen Gruppe in Krankenhaeuser geht um dort als Clowns Freude und Leichtigkeit zu verbreiten!
Wir spielen unsere Show nochmal durch und werden anschliessend von Solmaz belohnt mit koestlichem Auberginen-Linsen-Gemuese und Joguhrt-dipp! Was ein Fest!
3.Tag
Es sind wirklich fast alle da…Wahnsinn! Damit hatten wir nicht gerechnet…genial! Und schon geht es los…Susie nimmt sie sofort mit auf eine wundervolle Reise, schmeisst sie ins Unbekannte und alle werfen sich mit Freude und unbaendiger Lust in die Uebungen…Die Stimmung ist nicht zu toppen…und alle sind begeistert, diszipliniert und hoechst motiviert…viel Gelaechter schwirrt durch den Raum und der Spass kommt natuerlich auch nicht zu kurz…denn Spass am eigenen Tun und Entdecken ist das aller aller Schoenste was man mit dem Publikum teilen kann!
Es wird an verschiedenen Themen gearbeitet wie zum bsp. Emotionenaufbau, verschiedenen Energiestufen, Focus geben, Aufmerksamkeit erhoehen, absurde Ideen kreieren uvm.
Begeistert und erfuellt von all dem Input geniessen die Teilnehmer eine kleine Tee- und Suessigkeitenpause in der wir uns schnell umziehen, Koffer packen und dann heisst es zum 1. Mal auf dieser Reise “its showtime”…
Anscheinend ist es lustig, denn alle lachen aus tiefstem Herzen, sind die ganze Zeit ueber mit uns, teilen unsere Gefuehle und verfolgen mit grossen leuchtenden Augen unser wildes hin und her auf der “Buehne”…
Hoechst zufrieden, voller Adrenalin und viele Umarmungen spaeter sehe ich uns wie von aussen dabei zu Postkarten zu unterschreiben und versuchen mir 36 Namen zu merken bzw. zu erraten wie man sie schreibt…
Merci merci merci fuer all die Freundlichkeit und Freude!
Max
4. Tag
07.11.2019
2. Tag in Teheran:
Heute morgen hat uns Reza, unser tatkräftiger Unterstützer und Mitspieler der letzten Tour (2017) abgeholt. Dieses Jahr kann er leider nicht die ganze Zeit dabei sein, deswegen suchen wir noch nach Möglichkeiten, ihn vielleicht noch in unsere frische Show einzubauen.
Nichtsdestotrotz hilft er uns jetzt bereits nach besten Möglichkeiten, heute z.B. bringt er uns zu einer befreundeten NGO namens Toloo Bineshanha Society im Südosten von Teheran.
Diese Einrichtung an 6 verschiedenen Orten kümmert sich um Wiedereingliederung von vielerlei Menschen, die durch sämtliche familiären, sozialen und sonstige Netze gefallen sind:
Drogenabhängige, sich prostituierende und/oder obdachlose Menschen mit den dazugehörigen Kindern.
Die Unterstützung ist vielfältig: z.B. nach dem Drogenentzug hilft man den Menschen wieder zu sich und einen Weg in Arbeit und die Gesellschaft zu finden. Oder: Jeden Dienstag werden über 3000 Mahlzeiten an auf der Straße lebende Menschen ausgegeben, die z.T. auch von ehemals selbst Betroffenen gemacht und gebracht werden. Auch erinnert man sie daran, daß es einst ein Zuhause gegeben hat, hilft ihnen ein neues zu finden und unterstützt sie dabei, wieder ein eigenständiges Leben in jeder Hinsicht führen zu können, das nicht auf der Straße stattfinden muß.
Den Kindern der ehemaligen Prostituierten gibt man ein Zuhause, einen Ort, wo sie nicht bei der Arbeit der Mama zusehen müssen und auch nicht mehr ihre Hosen runterziehen (müssen), wenn man ihnen z.B. Schokolade reicht.
Am Ort angekommen, nach der Einführung durch den sehr angesehenen ’Chef’ ziehen wir uns um, beginnen unsere Show für ca 20 Frauen und 10 Kinder. Sofort wird klar, daß wir unsere Show für diese stark belasteten Kinder nicht spielen können, ohne sie kräftig miteinzubinden, auch den mittendrin natürlich auch an uns gereichten Tee und die Kekse.
Da hilft nur, das äußere und innere Tempo rauszunehmen, das Stück minütlich neu zu (er)finden, einfach die Freude im Publikum auch zur eigenen zu machen.
Wie immer folgt eine ausgiebige Aftershow-Fotosession für die wir herrlich Zeit haben, weil das heute unser einziger Auftritt ist.
Auch wir bekommen vor Ort noch ein köstliches Mittagessen.
Auf dem Heimweg nimmt der Verkehr bereits wieder deutlich zu, ein Schlenker über den Bazar im Norden von Teheran beschert noch ein paar neue Clownssocken.
Zuhause wird klar, es gibt noch nicht wirkliche pre- und aftershow- Routinen: z.B. die während der Performance gereichten Kekse hätten sich gefreut nicht in der Jackentasche und anschließend im Rucksack in alle Bestandteile zerfallen zu müssen, sondern sogleich nach der Vorstellung gerettet werden zu können…
Beim Feedback zu heute freuen wir uns sakrisch über und auf unsere Fortschritte und alles Kommende!
Susie aka Deppo.
5. Tag
08.11.2019
3. Tag in Teheran:
Heute ist Freitag – also Sonntag, klingt komisch, ist aber so, denn wir sind in der Islamischen Republik Iran. Der Verkehr hält sich heute morgen in Grenzen.
Wir fahren in den Süden Teherans zu einer der vielen Ziegelbrennereien. Auf dem Weg dorthin nicht enden wollende Maisfelder und plötzlich eine karge, staubige, wüstenähnliche Landschaft. Ein hoher Prozentsatz der dort lebenden und arbeitenden Menschen sind afghanischer Herkunft. Sie ’wohnen’ z.T. in Zelten, Wellblechhütten oder einfachsten Lehmbehausungen auf einem riesigen Areal, auf dem nur die Schornsteine etwas Abwechslung bieten.
Unser Gastgeber ist Hamyari Charity, eine NGO, die sich um arbeitende Kinder kümmert.
Bei der Wahl des Spielortes (draußen oder drinnen) ist unter anderem auch von Bedeutung, daß es bei der Indoorversion keine Probleme mit der Regierung geben wird.
Wie wir den Raum, der zugleich Umkleide, Zuschauerraum und Bühne ist, vorbereiten, stürmen schon die ersten Kinder herbei und blinzeln durch jede Ritze, die irgendwie Einblick gewährt.
Um sie zu bändigen stimmt Reza vor der Tür ein bekanntes Lied an. So sind alle beschäftigt und wir können uns noch ruckzuck umziehen.
Die Show läuft prima, alle Kinder verbünden sich mit dem jeweils leidenden Clown und fiebern bis zum Ende mit, obwohl sie ihre Energie kaum im Zaum halten können. Zum Glück bieten sich immer wieder Möglichkeiten, durch Anfeuern und lautstarkes Helfen wollen dieser unbändigen Kraft freien Lauf zu lassen. Die kleinen Spiele und das Rumblödeln nach der Show im direkten Kontakt sind zugleich große Freude und Herausforderung für uns alle.
Nach dem Abendessen zeigt sich der Teheraner Verkehr von seiner gewohnten Seite, die morgendliche Fahrtzeit hat sich verdreifacht.
Morgen ist Samstag – also Montag – zu den 4 Shows – durch diesen Straßenwahnsinn – das kann ja was werden….
Wir bleiben heiter und bester Dinge im Ausblick darauf!
6. Tag
09.11.2019
… in Teheran:
Wir reiten um 9 Uhr vom Hofe Richtung West-Teheran zu einer Einrichtung, die übersetzt Vogel des kleinen Baums heißt. Sie kümmert sich vor allem darum, daß benachteiligte Kinder, ein großer Teil davon afghanischer Herkunft auch Schulbildung erfahren. Die liebenswürdigen, sehr engagierten Damen freuen sich an uns, an den Unterhaltungen mit uns und saugen genauso wie die Kinder die Shows auf.
In der Pause stürzt eine junge Lehrerin herein, macht uns viele Komplimente und sagt zum Schluß zu Max: ’You are a sign of Humanity!’
Nach der 2. Show im Garten (ob der kleine Baum vorne in der Mitte der Bühne wohl der Namensgeber ist?) machen wir uns auf den Weg zum nächsten Einsatz, wo noch 2 Shows auf uns warten. Einige Kinder weinen, weil sie nicht dabei sein konnten, die Lehrerinnen bitten noch um eine dritte Show. Wir werden in den kommenden Tagen versuchen sie noch in den Terminplan reinzuquetschen.
Nach dem Mittagessen gehts in das Zentrum (wenn man bei dieser 15 Millionen Einwohnerstadt davon überhaupt sprechen kann), wo wir im Wohnzimmer einer Einrichtung spielen, die versucht den Kindern ein Zuhause und einen Familienersatz zu bieten.
Dorthin und wieder nachhause wurden wir von Saleh chauffiert, ein Freund, den wir bei der letzten Reise kennengelernt haben. Saleh lebte damals in Isfahan, kam wegen unser nach Mashhad und folgte uns dann nach Teheran.-
Man muß an dieser Stelle mal wieder einen herzhaften Dank an unsere großherzigen Gastgeberinnen Solmaz und Anahita Mougouie aussprechen. Ohne sie, Reza und viele weitere Freunde wäre diese Reise nicht möglich.
Tausend Dank, merci!
Zu Stoßzeiten sich durch den Verkehr zu mühen birgt aber auch viele Redemöglichkeiten, auch wenn man der Sprache des anderen nicht mächtig ist:
Saleh:‘One world, one language, it is love!’
Max:’ One world, same traffic, same problem.’
Susie.
7. Tag
10.11.2019
… in Teheran:
Fahren wieder mit Reza zum Auftritt…Seiner Meinung nach vieeeeel zu früh, aber wir trauen dem Verkehr nicht ums Mäusemelken!
Die Sonne scheint und wir sind guter Stimmung…voller Vorfreude auf die nächste Show!
Wir sind wieder im ärmeren Süden…unterwegs zu einem kleinen Theater, das die Organisation „Anjoman Yaran Danesh & Mehr“ auf die Beine gestellt hat, um mehr Kindern die Möglichkiet zu bieten uns sehen zu können! Die Organisation kümmert sich darum, dass Kinder, die arbeiten gehen, trotzdem Zugang zu Bildung bekommen. Dafür bezahlen sie manchmal sogar die Arbeitgeber um den Kindern mehr Freizeit zu verschaffen, die diese nutzen können, mal Kinder zu sein, oder eben auch um lernen zu dürfen!
Aha wer hätte das gedacht…wir sind doch eine 1/2 Stunde zu früh und plötzlich hält Resa abrupt an. Wir stehen vor einem heruntergekommenen unscheinbaren Laden der sich als traditionelles Teehaus entpuppt. Diese sind so rar geworden, dass es selbst für den gebürtigen Iraner eine Seltenheit darstellt ein solches Relikt der Vergangenheit zu entdecken und natürlich schauen wir auf einen Chai herein.
Es stehen ein paar Wasserpfeifen herum und der alte weisshaarige Mann, der stolze Besitzer, bewirtet uns mit einer inneren Ruhe und Kraft die den ganzen Raum erfüllt. Früher hätte Susie wahrscheinlich nicht eintreten dürfen, da dort die Männer beim Ratschen und Geschichten erzählen unter sich waren…aber wie gesagt die Dinge ändern sich…selbst im Iran…wenn auch manchmal etwas langsamer… Als wir schließlich bezahlen wollen, überrascht uns die Einladung dieses besonderen Mannes. Wir sind schon losgefahren, doch wollten wir uns revanchieren und brachten noch Flyer und Postkarte von uns vorbei.
Die 1. Show beginnt fast pünktlich und wir spielen etwas erhöht auf einer kleinen Bühne…was anfangs etwas Distanz zwischen uns und den ca.50 Kindern entstehen lässt. Auch während der Show ist die Stimmung nicht ganz so ausgelassen wie am Tag davor, aber bei den Nummern, in denen Wir uns austricksen und uns gegenseitig reinlegen, brüllen sie sofort los! Ja die gute alte Schadenfreude funktioniert einfach immer! Nach der Vorführung kommt der Leiter der Organisation zu uns hoch und „todernst“ beteuert er uns seinen tiefsten Dank…das alles quasi ohne eine Emotion zu zeigen, bis Susie ihm eine Nase überreicht. Ein wildes Fotoshooting ist die Folge… in allen Variationen werden die Kinder und die Mitarbeiter um uns aufgestellt.
Und da ist das Eis natürlich schon längst gebrochen…die Kinder umzingeln uns und die anfängliche Scheu is koplett verflogen…ja sie kriegen gar nicht genug davon, mit uns zu spielen, zu scherzen und zu blödeln…Wundervolle Momente, die man nie vergisst…
Die 2. Show verläuft ähnlich…die Kinder sind etwas älter und von Anfang an ein bisschen mutiger…Was für ein riesen großes unbezahlbares Geschenk, in diese leuchtenden Augen gucken zu dürfen…
Zurück gehts durch den zähfliessenden bzw. teilweise lahmliegenden Verkehr…Ich traue meinen Augen nicht als wir plötzlich die schneebedeckten Berge vor uns aufragen sehen.
Der Smog, der an manchen Tagen die Sicht komplett vernebelt macht anscheinend heute Pause. Trotzdem hat man bei jedem Atemzug einen leichten Beigeschmack von Benzin im Mund. Die Stadt stellt für mich ein Rätsel dar, wozu Susie nur sagt, dass es wahrscheinlich immer so bleiben wird…
15 Millionen Menschen…und fast jeder ist im Auto oder auf dem Roller unterwegs…dabei dient das Auto nicht nur als Transportmittel und gaaaaaanz selten als Statussymbol, nein es ist auch Zeichen der Freiheit!
Im geschlossen geschützten Gefährt kann man seine Musik hören und das Kopftuch ablegen…man entzieht sich der ewigen Kontrolle…wobei der Umgang mit den Regeln eh immer lockerer gehandhabt wird…Vor allem von den jungen Frauen!
Endlich zu Hause angekommen, heisst es jetzt packen, denn morgen fliegen wir mit Anna und Reza nach Isfahan (Zentraliran) südlich von Teheran.
Zuerst werden aber noch 2 Shows gespielt…dazu morgen mehr!
Khoda hafez“ und „Jub bechabi“ heisst so viel wie „pfiati und schlaf gut“
Max
8. Tag
11.11.2019
…vorläufig letzter Tag in Teheran:
Heute morgen wäre unser Driver bereits eine Stunde früher gefahren, er hatte sich geirrt und mußte leider warten. Wir fuhren schließlich nach Pakdasht, eine Stadt südlich von Teheran, zur gleichen Organisation wie gestern, Mehr o Danesh, die sich um die arbeitenden Kinder kümmert, diesen auch Zugang zu Bildung und kulturellen Ereignissen zu ermöglichen.
In einem kleinen Kino spielten wir eine herrliche Show für ca 10 Kinder und 20 Erwachsene. Als wir wieder Richtung Teheran fuhren, just um die Ecke, fuhren wir an einer Schule vorbei, in dessen Pausenhof hunderte von Kindern tobten. Wir dachten, es wäre doch auch schön für diese vielen Kinder zu spielen, jedoch, wie wir im Nachhinein erfuhren gab es auch für unsere Miniveranstaltung Beanstandungen, daß es nicht bei der Regierung angemeldet worden sei. Wir wußten, daß es als private Veranstaltung galt, aber es zeigte uns, daß in einer Schule zu spielen, derzeit, und vielleicht auch speziell an diesem Ort eine offizielle Genehmigung von Nöten ist, die ca ein Jahr Organisationsvorlauf benötigt…
Die zweite Show führte uns zu ’alten’ Bekannten, Khane Khorshid im Süden von Teheran. Ein Haus, das wir bereits zum dritten Mal besuchen, in dem ehemalige Prostituierte und drogenabhängige Frauen und deren Kinder Unterstützung in vielerlei Hinsicht erfahren.
Wir werden mit einem riesigen Mittagessen empfangen, das uns stärkt für unsere bisher beste Show. Die Male davor haben wir immer im Garten in dem äußerst unwegsamen Gelände mit Löchern und Hundehaufen gespielt, aber es gibt eine brandneue Errungenschaft, eine Art Pavillon, in den sich ca 60 Kinder jeden Alters und etwa 15 Damen quetschen und sich königlich amüsieren. Welch ein Fest!!!!
Nun begeben wir uns nach Isfahan, im Anschluß reisen wir nach Ahvaz, eine Gegend im Westen Irans, die stark von den Überschwemmungen betroffen war/ist.
Möglicherweise haben wir einige Tage keinen Internetzugang, spätestens Donnerstag Abend sind wir wieder in Teheran zurück und reichen alle Berichte nach.
Khoda Hafez einstweilen aus dem Iran von Max und Susie.
9. Tag
12.11.2019
Isfahan
Den Vormittag nutzten wir um ein wenig in die persische Kultur einzutauchen, wir besuchten Naghshe Jahan, den uralten riesigen Platz mit 2 Moscheen, 2 Königspalästen, umrahmt vom Bazar. Er wurde einst für Pferderennen und Polospiele genutzt. Unterhalb des Platzes befindet sich immer noch ein Gängegewirr, das damals von den Frauen genutzt wurde um sich ungesehen zwischen Palast und Moschee bewegen zu können. Heutzutage ist es einfach nur wunderbar, den Zauber und die wahnwitzige Schönheit zu spüren. Wir sind überwältigt und die Stadt zieht einfach jeden sofort in ihren Bann. Es ist wichtig auch diesen Teil der Kultur kennenzulernen um wenigstens ansatzweise etwas von den Menschen im heutigen Iran begreifen zu können.
Und plötzlich sind wir wieder in der ’anderen’ Welt:
Wir spielen 2 Shows in einer Einrichtung, die sich um arbeitende Kinder und Jugendliche vor allem afghanischer Herkunft kümmert. Zwischen unseren Spektakeln unterhalten wir uns intensiv mit den jungen leitenden Mitarbeitern über die unterschiedlichen Formen und Probleme der Flüchtlingsintegration. Dieses Thema beschäftigt alle gleichermaßen in verschiedenen Versionen, eine einfache Lösung gibt es eben nirgends.
Letztendlich zählt für uns beim Spielen vor allem der Moment des gemeinsamen Lachens und der Freude mit- und aneinander trotz aller Unterschiedlichkeiten.
Max und Susie.
10. Tag
13.11.2019
Wieviele Ereignisse passen eigentlich in einen Tag?
Die Dichte an Erlebnissen nimmt rasant zu. Morgens bereits werden wir überrascht von dem Geschenk des Vermieters, diese grenzenlose Gastfreundschaft, die uns wieder mal sprachlos macht: Bei der Schlüsselrückgabe bekommen Anna und Susie jeweils einen riesigen selbstgemachten Schal seiner Frau geschenkt.
Nach der Ankunft in Ahvaz gegen Mittag treffen wir ’unseren’ Reza und den äußerst sanften und freundlichen Mr. Ismail und beziehen Quartier in den Gebäuden von Helal Ahmar („…. Roter Halbmond, das Äquivalent des Internationalen Roten Kreuzes. Hilal Ahmar ist eine humanitäre gemeinnützige Organisation, die in Pakistan Soforthilfe, Katastrophenhilfe und Katastrophenvorsorge leistet.„ Wikipedia), natürlich Männer und Frauen getrennt, denn auf der Fahrt werden wir von Anahita auf die strenggläubige Lebensweise der hieisigen Bevölkerung hingewiesen. Wir merken, daß wir uns mitten in der Wüste befinden, nicht nur an den Ruinen ehemaliger Karawansereien entlang der Straße, sondern auch an den 30 Grad.
Nach dem Mittagessen fahren wir ca 1,5 Std. zu unserem Auftrittsort in ein abgelegenes Dorf, das stark von der großen Flutkatastrophe im Frühling betroffen war.
Auf dem Weg dorthin wird uns noch mehr bewußt, daß wir ohne Helal Ahmar hier nicht sein könnten, da weder für unsere Sicherheit garantiert werden könnte, noch daß wir selbst in Kontakt mit der Bevölkerung treten könnten. Wir spüren deutlich, daß wir in einem sehr anderen Landesteil angekommen sind.
Doch davon berichten wir morgen weiter, weil es zu spät ist um die passenden Worte für unsere Erlebnisse zu finden.
Gute Nacht wünschen Max und Susie.
2. Teil
Ahvaz im Südwesten des Iran liegt nahe der Grenze zum Irak. Nicht nur wir sind hier fremd, auch Anahita und Reza, unsere Begleiter aus Teheran haben ihre Mühen mit der Sprache und den Gebräuchen: Die Muttersprache ist arabisch, und z.B. keiner von uns weiß, daß es Unglück bringt den Teelöffel in die geleerte Tasse zu stecken, verschiedene Gesten haben andere oder sogar entgegengesetzte Bedeutungen als bei uns, u.v.a.m.
Der Abstand zwischen den Fettnäpfen ist sehr gering …..
Adel, ein junger Schauspieler aus dem Ort wird zu unserer Brücke sozusagen: Wir können uns bei seiner großen Familie zuhause aufhalten, stärken, tiefe Unterhaltungen führen, außerdem kümmert er sich, daß schließlich der beste Ort für unsere Performance gefunden wird. Nach einigem Hin und Her, dem wir nur rudimentär folgen können (aus den Körpern, Tempi, Stimmhöhen und Lautstärken versuchen wir unsere Schlüsse zu ziehen) wird dorfgemeinschaftlich entschieden, daß wir nach dem Gebet vor der Moschee spielen werden um nicht die neue Schule durch eine etwaig fehlende Genehmigung zum Auftritt auf dem Pausenhof zu gefährden. Plötzlich machen wir doch vorher noch einen Spaziergang an den Fluß, der jetzt idyllisch im Sonnenuntergang liegt und während der Flutkatastrophe den Grundwasserpegel auf ca 1,5 m in den Häusern ansteigen hat lassen.
Es ist schon beeindruckend, welche Spannung bzgl. der Spielzeiten wir in uns haben, die aber anscheinend überhaupt keine Entsprechung in den Leuten hat. Es braucht zum einen viel Vertrauen, den Vorgängen ihren Lauf zu lassen, und zugleich die Flexibilität dann auf Zack spielbereit zu sein.
Da wir uns zum Umziehen gemeinsam allein in einem Raum befinden, Max und Susie, sind wir verheiratet, wurde uns mitgeteilt, aha, ja, selbstverständlich…..
Als es dunkel ist, starten wir unsere wieder mal beste Show, der Laden kocht, Adel hält freundlich aber bestimmt die Kinder in Schach, Reza und Anahita retten sofort unsere abgespielten Requisiten, schließlich alle unsere Sachen und uns, denn die Freude ist so groß, am liebsten würde man uns da behalten. Die Kinder rennen am Ende dem Pickup hinterher, bis wir uns im Staub und in der Dunkelheit aus den Augen verlieren.
Wiederum bei Adels Familie dürfen wir uns umziehen bei einer weiteren Tasse Tee bestätigt uns der Vater nochmals, wie wichtig dieses gemeinsame freudige Erlebnis nach all den Mühen, Anstrengungen, Verzweiflungen ist.
Wir haben diese unbändige Freude so tief gespürt, welch Geschenk, welch Ehre!!!!
Noch ein Interview mit den jungen Red Crescent-Leuten, und wieder einmal sind wir hin- und hergerissen zwischen der Höflichkeit und dem Respekt den Gastgebern gegenüber und unseren noch wartenden Pflichten (Fotos auswählen, schicken, Blogschreiben, Kostümwaschen, Requisiten restaurieren, etc.) und reissen uns irgendwann los.
Wir fahren wieder 1,5h zurück nach Ahvaz, essen und stellen fest, daß wir den aufblasbaren Hammer verloren und die Clownsfahne an der Moscheewand hängengelassen haben. Bis spät in der Nacht reden und arbeiten wir noch.
Ein unfassbarer Tag, knallvoll mit Eindrücken geht zu Ende und ruckzuck ist es nach wenigen Stunden wieder Zeit aufzustehen.
Wir möchten uns an dieser Stelle explizit bei Hilal Ahmar für die Unterbringung, die komplette Übernahme sämtlicher Kosten bedanken und bei Ismail für die liebevolle Rundumorganisation, versorgen, beschützen, befördern und da sein. Bei Reza Abedini für die Unterstützung in jeder Hinsicht und vor allem bei Anahita und Solmaz Mougouie für einfach ALLES! Danke, Merci, Sepos!
11. Tag
14.11.2019
2. Und letzter Tag in Ahvaz …
Und weiter gehts mit der Magie…
Schnelles Fruehstueck in einem kleinen Laden auf der Strasse…frisches selbstgemachtes Brot aus dem Holzofen mit deftigem, fettigem aber ueberaus koestlichem Brei “techelme”…
Damit koennte man Baeume ausreissen, was wir zwar eigentlich nicht vorhaben, aber diese Energiespritze koennen wir trozdem gut gebrauchen…
Es geht im kleinen Minibus los in die Provinz “Khusestan”, im Gepaeck die Kontaktfrau fuer unseren heutigen Spielort. Es ist das Dorf “Magran”, ein weiteres Opfer der starken Flut. Dort hat das Wasser noch mehr Schaden angerichtet…Das bis zu 2 Meter angestiegene Grundwasser hatte die Bewohner der Siedlung zur Flucht gezwungen.
Wir sind schon 2,5 stunden unterwegs durch eine nicht enden wollende Ebene…..Wir passieren Strassen, die es nicht mehr gab, als das Wasser damals kam. Man sieht noch vereinzelt die getrockneten Schlammberge rechts und links der Fahrbahn. Weil es so abgelegen ist und es auch keine Strassenschilder gibt, muss unser Fahrer immer wieder anhalten und nach dem Weg fragen…!
Das wiederum hat aber auch sein Gutes…diese urspruengliche Art nach dem Weg zu fragen, und sich so immer nur ein kleines Stueckchen vorzuarbeiten bis zum naechsten “Informanten”, die genauso in Teheran praktiziert wurde, ist quasi am aussterben …sie wird durch das Handy ersetzt…verstaendlich und anscheinend unabdingbar, aber schade zugleich! Somit geht auch ein Stueck Kommunikations- Kultur verloren…
Wir sehen schon aus weiter Ferne einen Mann, der uns winkend und Zeichen gebend klar macht, dass er etwas von uns will…
Wir halten also an und nehmen ihn ein Stueck mit….sofort fuellt sich der ganze Wagen mit einer unbaendigen Energie…Wie ein sprudelnder Wasserfall plappert und singt er drauf los…Eine 3 minuetige Soloshow spaeter, ist er auch schon wieder weg…so ploetzlich verschwunden wie er aufgetaucht ist… Aber diese wunderbare und verrueckte Begegnung scheint sich auf all unsere Begleiter ausgewirkt zu haben…einer nach dem anderen rezitiert irgendwelche Verse aus seinem Handy und die Stimmung ist ausgelassen!
Doch dann sehen wir ueberall Haeuserruinen und Berge von Ziegelsteinen und sofort wird klar, wir haben unser Ziel erreicht. Diese Leute haben wirklich alles verloren und versuchen sich mit aller Kraft wieder ein neues Leben aufzubauen…Sich nicht unterkriegen zu lassen, ihr Dorf nicht aufzugeben. Es gibt gar nichts…zum 1. Mal in quasi 2 Wochen kriegen wir keinen Tee angeboten, was schon alles sagt…Es ist einfach zu umstaendlich und auch zu kostbar!
Es gibt noch keine Moschee, seit kurzem sind die Menschen wieder aus den Hilfskontainern in ihre zerstoerten Haeuser umgezogen und die Schule, auf deren Pausenhof wir spaeter spielen werden, ist wirklich in keiner guten Verfassung…alles wirkt total verlassen, als wenn sie seit Jahren nicht mehr benutzt wurde und man kann sich nur sehr schwer vorstellen, dass hier jeden Tag Kinder auf den staubigen Baenken sitzen und lernen sollen.
Aber da kommen auch schon von allen Seiten die Kinder angelaufen und sofort bildet sich eine rieeeesen Traube um uns und die Augen strahlen so unbeschreiblich viel aus…Neugierde, Hoffnung, Freude, Angst, Wissen, Leid, Sehnsuechte, u.v.m.
Die Energie ist aber irgendwie anders als am Tag zuvor…Die Sonne brennt erbarmungslos auf den staubigen, sandigen Boden des Schulhofes…Wir haben Glueck , dass es Winter ist..sonst haette es jetzt ueber 60 Grad, also unertraeglich…Im tiefen Winter ist es dafuer eiskalt und das moechte man auch nicht unbedingt erleben muessen…Die Leute hier aber haben keine andere Wahl und wir sind in Gedanken bei ihnen…Wenn wir wieder in unseren warmen, gemuetlichen und bequemen Haeusern sitzen und die Heizungen aufdrehen.
Die Kinder nehmen auf dem nackten Boden im Schatten der Mauern Platz und fiebern unserem Auftritt entgegen. Endlich legen wir los und sofort kleben ca. 100 Augenpaare auf uns und lassen uns keine Sekunde aus ihrem Sichtfeld…Uns laeuft der Schweiss in Stroemen herunter, aber das macht jetzt gar nichts und es liegt auch nicht an Seppis Pelzmuetze…also naja…nicht nur jedenfalls!!!…Wir spielen wie im Rausch…
Die Stimmung tobt…selbst die sehr sehr ernsten Maenner, die Dorfaeltesten lachen aus tiefstem Herzen und die vollverschleierten Frauen mit ihren kleinen Babys auf dem Schoss stimmen mit ein!
Da macht es auch nichts , dass ab und an ein junger Mann mit seinem Mofa herangefahren kommt und direkt neben uns den Motor aufheulen laesst… pah sowas haelt uns doch nicht auf…!!!!
Wir nehmen es lieber hinterher gleich als Spielmoeglichkeit und machen 2 Schlangen von Kindern, die sich an unseren Rockzipfeln haengend, zum Brummen unserer Kazoos durch den Hof bewegen!
Laut hupend, kreischend und prustend “fahren” wir direkt in das naechste Fotoshooting hinein…
Die Show ist vorbei und dann heisst es Abschied nehmen…Ueber die ganze Zeit haben wir alles gegeben was wir zu geben haben…und auch wenn man das nicht essen und trinken kann, wenn es einen nicht waermt oder vor Staub und Hitze schuetzt, so spueren wir doch in jeder Faser unseres Koerpers wie ungemein wichtig unser Besuch gerade hier war!
Auch wenn wir keine materiellen Hilfsgueter dabei hatten, das ist die Aufgaben von anderen, haben wir nicht nur unsere Lebenslust und Freude miteinander geteilt, sondern versucht, die Menschen ihre Probleme, Sorgen und Aengste fuer wenigstens eine Stunde vergessen zu lassen! Trotzdem kommt es einem in Anbetracht der Schwere der Situation fuer den Bruchteil einer Sekunde selber manchmal etwas unpassend oder zu “wenig” vor! Aber nein, was wir zu geben haben, genau dafuer sind wir da:
Das zu machen, was wir koennen, und zwar mit aller Liebe und Kraft, die wir in uns haben!
max
12. Tag
15.11.2019
Back in Tehran
Wir sind wieder zurück in Teheran: Heute morgen hat uns Arash von der Mofid Theatre Group abgeholt, da wieder Freitag (also Sonntag) ist, gibt es wenig Verkehr, die Stadt kann ein wenig atmen – gestern waren die Schulen wegen Smog geschlossen – und wir kommen schnell voran.
Ca 20 Clowns im buntesten Outfit erwarten uns. Einige kennen wir vom Workshop letzten Mittwoch, und auch neue und altbekannte Gesichter sind dabei.
Die Clowns unterstützen uns super bei der Show, die wir wieder im Treppenzwischengeschoß vor den Stationen spielen. Ca 100 Kinder und Erwachsene folgen begeistert der Show, die immer wieder durch Durchgangsverkehr und eben normalen Krankenhausabläufen unterbrochen wird.
Nach dem Mittagessen mit den Mofids fährt uns Arash zum Iranak Children‘s Museum. Dort gibt es freitags immer spezielle Aktionsprogramme. Heute wurden auch einige Kinder vom MAHAK Hospital gebracht, dem größten, berühmtesten Kinderkrebskrankenhaus, in dem wir 2012 und 2013 bereits auch schon gespielt haben. Zur Zeit bräuchten sie eine extra Genehmigung für eine Clownsshow im Haus, dafür war der Vorlauf nicht groß genug, also hat man die transportablen Kinder eben hingebracht, weil die Entfernung nicht so groß ist, ein wichtiger/entscheidender Faktor.
An dieser Stelle möchte erwähnt werden, daß sich viele Dinge in jeder Richtung geändert haben seit meinem letzten Besuch 2017, das liegt wohl in der Natur der Sache und der Laune der Regierung.
Wir spielen in der Library, und wenn ich sage schon wieder unsere beste Show, meine ich, daß wir unentwegt neue Details finden und einbauen und somit das Stück kontinuierlich weiter entwickeln und auch unseren Spielspaß auf den Gipfel treiben. Ich finde es bemerkenswert, daß immer wieder Leute auftauchen, die unser Stück bereits andernorts gesehen haben.
Zuhause angekommen gehen die Routinen Auspacken, Lüften, Wäsche waschen, Requisiten reparieren, alles wieder auf Anfang bringen bereits recht flott. Das bedeutet auch, daß wir schon bald auf die Zielgerade zusteuern, hmmmm…., nein, man möchte noch gar nicht daran denken….
sondern sich lieber auf die Shows morgen freuen!
Khoda hafez, Susie.
13. vorletzter Tag
16.11.2019
Vorletzter Tag Iran: 16.11. Wetterstrich
Wie interessant, daß das Wetter über Nacht eine 15 Millionen Einwohnerstadt komplett lahmlegen kann: Der Tag begann früh und endete früh, sozusagen: Es schneite waagrecht von Süden nach Norden bei Blitz und Donner, auf den Straßen bewegte sich nichts und niemand mehr. Es sah aus, als wäre Teheran ein großer Parkplatz, auf den Fahrbahnen sah man keine Reifenspuren mehr, unter den Autos war wenig Schnee, oben drauf ca. 30 cm schwerer Neuschnee.
Unser Fahrer war vor lauter Pflichtgefühl wieder über eine Stunde zu früh da und konnte dann seinen Wagen drei Stunden lang nicht vom Fleck bewegen. Es ging einfach nirgends nichts.
Dieses Wetterphänomen kommt hier durchaus gelegentlich vor, diesmal jedoch viel zu früh und ungewöhnlich heftig.
Said, ein Clownskollege von der Mofid Group, der uns heute freundlicherweise begleitet hätte, wartete mit/bei uns und wir nutzten die Zeit ein paar kleine Finger- und Zaubertricks zu üben.
Nach 2,5 Stunden Warten und Beraten war klar, daß wir schweren Herzens unsere Auftritte absagen, bzw. hoffentlich auf morgen verschieben.
Schulen und viele (öffentliche) Einrichtungen blieben heute geschlossen, selbst, wenn wir rechtzeitig oder zu spät am Spielort angekommen wären, wäre dort niemand für den wir hätten spielen können….
Schließlich machten wir uns zu Fuß auf den Weg zur U-Bahn, ein Weg, der normalerweise eine halbe Stunde dauert brauchte dreimal so lang. Wir sahen herrliche Kopfbedeckungsvarianten aus Plastiktüte, auch erscheint es einleuchtend über die trockenen Socken Plastiktüten und dann die Straßenschuhe anzuziehen. Diese Version werde ich morgen probieren, denn auch morgen sind wieder widrige Wetter- und Straßenverhältnisse zu erwarten.
So waren wir einige Stunden unterwegs um den Bazar und die dortige Moschee zu besuchen und persische/iranische Kultur zu inhalieren.
Erstaunlich ist, wie viele Iraner wirklich gut deutsch sprechen, uns gerne ansprechen und herzlich willkommen heißen, für uns ein wenig absurd, da wir übermorgen bereits leider wieder abreisen müssen.
Schöne Grüße aus dem winterlichen Teheran von Max und Susie.
15. Tag
18.11.2019
„Wenn ich ehrlich bin, bin ich froh, dass Ihr nachhause fahrt.“
Ausspruch von unserer Gastgeberin Solmaz, weil sie sich um unsere Sicherheit
sorgte, denn es hat in den letzten Tagen neben den Wetterkapriolen auch
politische Entwicklungen gegeben, die dazu führten, dass alle unsere
Vorstellungen der letzten 2 Tage abgesagt werden mussten. Das macht uns
einerseits sehr traurig für die Kinder (und auch für uns) und andrerseits
wird uns wieder bewusst, wie behütet und beschützt wir waren.
Die Regierung hatte die Ölpreise drastisch angehoben, die Bevölkerung
protestierte, z.B. in dem sie ihre Autos (eins der wichtigsten Güter um das
Leben zu meistern) auf die Straße stellten, abschlossen und weggingen. Die
Polizei wiederum reagierte, indem sie die Autoscheiben einwarf. Staatliche
Supermärkte wurden geplündert, 2 Tankstellen in Brand gesetzt, 2 Menschen
kamen ums Leben, ein gegenseitiges sich-Hochschaukeln. Die Straßen, die wir zu
unseren letzten Auftritten in der Region Khuzestan benutzten, wurden in alle
Richtungen gesperrt.
Die Bevölkerung dort ist so arm, sie haben nichts zu Essen.
Um den Protesten wirkungsvoll Einhalt zu gebieten schaltete die Regierung das
Internet komplett ab, was dazu führte, dass sich das gesamte Leben massiv
und schlagartig veränderte. Schulen und sämtliche Einrichtungen bleiben
geschlossen, viele Büros, Organisationen und Institutionen können nicht
arbeiten. Das führt uns wieder die globale Internetabhängigkeit heutzutage
vor Augen.
So blieb uns nichts anderes übrig, als unseren letzten Tag zuhause zu
verbringen und das Beste aus der Situation zu machen. Wenigstens hatten wir
dadurch etwas Zeit, uns gebührlich für die viele übergroßartige
Unterstützung bei allen Beteiligten zu bedanken, allen voran Solmaz, Anahita
und Papa Mougouie.
Merci merci, bis zum nächsten Mal, wenn wir dann die ausgefallenen
Vorstellungen nachholen dürfen.
Eine wahnsinnig intensive Zeit geht zu Ende, die uns wieder viele neue
Erkenntnisse über das Land, die Menschen und uns selbst beschert hat.
Wir haben 16 Shows für 1000 Kinder und Erwachsene gespielt, einen Workshop
für 36 local artists gegeben, darüber hinaus in unzähligen kurzen und
längeren Begegnungen zum Kulturaustausch beigetragen.
Unsere verschollene Fahne, wie auch Teile unserer Herzen sind im Iran bei diesen
wunderbaren Menschen voller grenzenloser Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft
geblieben, wir haben ruckzuck zwei neue Fahnen dafür bekommen.
Hier endet unser Bericht, die Maschine rollt.
Merci und Khoda Hafez!
Max und Susie, aka Seppi und Deppo.
Solmaz, Anahita and Papa Mougouie,
Hilal Ahmar/Iran Red Crescent Society IRCS und Mr. Ismael, Frau Padideh Jamalha
und Frau Gojabeiglou,
Reza Abedini,
Arash Sadeghian Haghighi, Said und die Mofid Theatre Group,
Adel, Amir, Saleh, Mona, Sina, Mahmoud Mardani, Behrouz Khani, Alireza Maleki,
NRC, Khane Khorshid,
Gretel Meier, Franz Dorner und die Jugendschutzstelle der Stadt Regensburg,
Frau Scharfenberg und Frau Ismaeli von der AWO München,
Kunigunde Frey und die SWW München,
Alex Strauß, Mia Rohrbach, Moni Single, Wolfgang Obrecht, Riki Obrecht, Lore
Wimmer